Kanzlei Frank Dieter Müller & Asociados

Stichtag 17.08.2015 – Europäische Erbrechtsverordnung, Rechtswahl und Erbschaftsteuerrecht

Stichtag 17.08.2015 - Europäische Erbrechtsverordnung, Rechtswahl und Erbschaftsteuerrecht

Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) in Kraft

Mit Wirkung zum 17.08.2015 ist  die europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO – Verordnung (EU) Nr. 650/2012) in Kraft getreten. Es gilt nunmehr das Erbrecht des Staates, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art 21 Abs. 1 EU-ErbVO).

Die am 27. Juli 2012 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichte und schon am 16. August 2012 in Kraft getretene Verordnung findet für alle internationalen Erbfälle in den Unionsmitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark, Irland und England Anwendung.

Ein solcher internationaler Erbfall liegt regelmäßig vor, wenn ein Staatsbürger eines Landes in einem anderen Land verstirbt und dort Vermögen besaß. Entscheidend für die Frage welches Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist, ist nunmehr der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers.

Häufigster Anwendungsfall wird der des sich im Ausland, bspw. Spanien, aufhaltenden Rentners mit dort belegenem Immobilieneigentum sein.

Bis zum 17.08.2015 gilt in vielen Vertragsstaaten das Staatsangehörigkeitsprinzip (so auch in Deutschland) welches dazu führt, dass die Staatsangehörigkeit des Erblassers über das anzuwendende Recht entscheidet. Dieses Prinzip wird nunmehr durch das des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zum Zeitpunkt des Todes ersetzt, mithin gilt nunmehr das das dortige nationale Recht

Die EU-ErbVO eröffnet jedoch die Möglichkeit, das Heimatrecht (also das Recht der eigenen Staatsangehörigkeit) durch formgültige Rechtswahl im Rahmen einer Verfügung von Todes wegen zu wählen.

Mit einer solchen Rechtswahl kann u.a. vermieden werden, dass lokale Regelungen zur Anwendung kommen, nach welchen bspw. der überlebende Ehepartner lediglich Anspruch auf den Nießbrauch hätte und die Kinder bereits vor dem Versterben des Überlebenden Eigentümer würden.

Die Übergangsbestimmung des Art. 83 EU-ErbVo regelt, dass die europäische Erbrechtsverordnung für Erbfälle ab dem 17.08.2015 gilt. Erbrechtliche Verfügungen die vor diesem Stichtag errichtet wurden, genießen grundsätzlich Bestandsschutz, soweit sie in Übereinstimmung mit der Norm wirksam errichtet wurden. Zweck der Norm ist der Vertrauensschutz in die Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen zum Zeitpunkt ihrer Errichtung. Dies gilt insbesondere auch für Fälle des Wegzuges, also eines Wohnsitzwechsels in den Anwendungsbereiches eines anderen Rechtssystems. Getroffene Rechtswahlen haben sich an den Voraussetzungen der Verordnung messen zu lassen (Art. 20-27).

Europäische Erbrechtsverordnung und Erbschaftsteuer

Die nationalen erbrechtlichen oder erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften bleiben von der Verordnung unberührt. Das heißt, wenn eine Rechtswahl getroffen wird, kann nach wie vor das Erbrecht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes ausgehebelt werden, nicht allerdings das des dortigen Erbschaftsteuerrechts.

Zu beachten ist grundsätzlich, dass neben der beschränkten oder unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht in Spanien aber auch in Deutschland die Voraussetzungen für (erweiterte) beschränkte oder (erweiterte) unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht erfüllt sein können, was eine Doppelbesteuerung zur Folge haben kann. Dies kann selbst bei Wegzug, so im Falle des o.g. Rentners gelten.

Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland kommt in Bezug auf Nachlassgegenstände in Betracht, die Inlandsvermögen darstellen, wenn weder Erblasser noch Erwerber deutsche Steuerinländer sind. Zu Inlandsvermögen zählen deutsches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen, Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz / Geschäftsleitung in Deutschland sowie in ein deutsches Buch oder Register eingetragene Erfindungen, Gebrauchsmuster oder Topographien, einem deutschen Gewerbebetrieb überlassene Wirtschaftsgüter, durch deutschen Grundbesitz gesicherte Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden oder andere Rechte und Forderungen, Forderungen aus Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter oder aus partiarischen Darlehen. Hinzukommen etwaige Nutzungsrechte an einem der genannten Vermögensgegenständen, wenn sie sich auf ein Wirtschaftsgut in Deutschland beziehen.

Zwar erstreckt sich die Erbschaftsteuerpflicht dann ausschließlich auf die besagten, in Deutschland belegenen Gegenstände, doch ergeben sich weitere Rechtsfolgen aus der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. So sind beispielsweise etwaige Schulden nur abziehbar, soweit sie im wirtschaftlichen Zusammenhang mit deutschem Inlandsvermögen stehen. Es gilt zudem ein von der Steuerklasse unabhängiger geringer Freibetrag. Eine Anrechnung der spanischen Erbschaftsteuer auf die deutsche nach § 21 Abs. 1 S. 1 ErbStG ist nicht möglich.

Unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland ergibt sich jedenfalls, wenn der Erblasser in Spanien nicht resident, also nur hinsichtlich seines Vermögens in Spanien und somit dort beschränkt steuerpflichtig und zugleich kraft Wohnsitzes deutscher Steuerinländer ist. Sein Vermögen in Spanien wird also vom deutschen und auch vom spanischen Fiskus besteuert, soweit keine Anrechnung der Steuer erfolgen kann.

Ist dies nicht der Fall, so darf die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland jedoch nicht voreilig ausgeschlossen werden. Denn die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht knüpft nicht nur beim Erblasser, sondern ebenso beim Erwerber des Nachlasses an. Ist dieser deutscher Steuerinländer, so unterliegt der ihm zufallende Nachlassanteil der deutschen Erbschaftsteuer, unabhängig davon, ob der Erblasser in einer Verbindung zu Deutschland stand oder nicht.

Wurde jeglicher Wohnsitz des Erblassers in Deutschland vor weniger als fünf Jahren aufgegeben, so kann aufgrund einer sogenannten Wegzugsbesteuerung die „erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht“, deren Rechtsfolgen identisch mit der regulären unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht sind, eingreifen. Ein kurzfristiger Wegzug aus Deutschland zwecks Vermeidung der Erbschaftsteuer erweist sich aufgrund dieser Regelung folglich als zwecklos.

Zwar haben Deutschland und Spanien ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterzeichnet, die Erbschaftssteuer ist aber dort ausdrücklich ausgenommen. Daher besteht grundsätzlich Erbschaftssteuerpflicht in beiden Staaten, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine, ggf. anteilige, Anrechnung der im anderen Staat bezahlten Steuer möglich ist.

Bei unbeschränkter Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland und gleichzeitigem Anfall von Erbschaftsteuer in Spanien richtet sich die Anrechnung nach § 21 ErbStG. Die ausländische Erbschaftsteuer auf das in § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG definierte Auslandsvermögen kann bis zur Höhe der in Deutschland anfallenden Erbschaftsteuer angerechnet werden. Darüber hinausgehende ausländische Steuer bleibt bestehen, man spricht dann von einem „Anrechnungsüberhang“. Zur Erfassung der Besteuerung des Vermögens in Spanien eines deutschen Steuerinländers aufgrund von (erweiterter) unbeschränkter und in Spanien aufgrund von dortiger beschränkter Steuerpflicht, ist wegen der gesetzlichen Definitionen des steuerbaren Aus- bzw. Inlandsvermögens stets ein genauer Blick auf die Art der Vermögensgegenstände erforderlich.

 

©2015 Verfasser europäische Erbrechtsverordnung: F. Müller, Rechtsanwalt, Abogado, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

 

 

29. Juli 2015 von Frank Dieter Müller
Kategorien: Berichte aus Spanien u. EU | Schlagwörter: , , , | Kommentare deaktiviert für Stichtag 17.08.2015 – Europäische Erbrechtsverordnung, Rechtswahl und Erbschaftsteuerrecht