Steuerkontrolle Europa – Zusammenarbeit Finanzbehörden der EU
Aus der uneinheitlichen EU-Steuergesetzgebung ergibt sich für die europäischen Mitgliedstaaten die Notwendigkeit einen effektiven Kontrollmechanismus als auch eine verstärkte Zusammenarbeit der Verwaltungen ihrer Mitgliedstaaten zu schaffen. Insbesondere um Steuerbetrug und -hinterziehung vorzubeugen, gleichwohl aber die staatlichen Hoheiten, insbesondere auch über Steuereinkünfte und -sätze zu erhalten, sind in verschiedenen steuerrechtlichen Bereichen EU-Regelungen zur Kooperation verabschiedet worden. So wurden bspw. mit Art. 26 des OECD Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung von 2005, Verpflichtungen zum zwischenstaatlichen Austausch von steuerrelevanten Informationen geschaffen, um der Steuerhinterziehung international entgegen zu wirken. Der vorliegende Artikel Steuerkontrolle EU gibt einen Überblick der getroffenen und geplanten Maßnahmen.
Steuerkontrolle EU – getroffene Maßnahmen
Direkte Steuern
Bereits seit der Richtlinie 77/799/EWG des Rates im Jahre 1977 ist im Bereich der direkten Steuern (Steuern auf Einkommen und Vermögen) und der Steuern auf Versicherungsprämien Amtshilfe zwischen EU-Mitgliedstaaten möglich. Da sich inzwischen die Binnenmarktanforderungen sehr stark verändert haben und eine angepasste Regelung zur Zusammenarbeit nötig war, wurde die Richtlinie aus dem Jahre 1977 durch die Richtlinie 2011/16 des Rates vom 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung ersetzt. Bis auf die Ausnahme der Regelungen über den automatischen Informationsaustausch, die zum 1.1.2015 in Kraft treten, sind die staatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie am 1.1.2013 in Kraft getreten.
Die neue Richtlinie ist für die Mehrwertsteuer, Zollsätze, direkte Steuern und Pflichtsozialbeiträge gültig, es sei denn die europäische Zusammenarbeit ist insoweit durch andere Normen spezialgeregelt.
Die Zielsetzung der Richtlinie ist insbesondere die Steigerung von Transparenz und Informationsaustausch der Finanzbehörden innerhalb der EU. Die Mitgliedstaaten dürfen sich beispielsweise der Informationserteilung nicht lediglich mit der Begründung verwehren, dass sich die gewünschte Information bei einem Bankinstitut befindet.
Des Weiteren sollen Fristen zur Beantwortung von Anfragen aus dem EU-Mitgliedsland einen schnellen und effektiven Austausch garantieren.
Der automatische Informationsaustausch erstreckt sich auf die Bereiche Vergütungen aus unselbständiger Arbeit, Aufsichts- oder Verwaltungsratsvergütungen, Lebensversicherungsprodukte, sofern sie nicht durch andere Richtlinien abgedeckt sind, Ruhegehälter und auf Eigentum an unbeweglichem Vermögen und Einkünfte hieraus.
Deutsche Bankinstitute haben so bspw. durch die Zinsinformationsverordnung jährliche Kontrollmitteilungen über Zinserträge und Erlöse ihrer Bankkunden aus EU-Mitgliedstaaten beim Verkauf bestimmter Wertpapiere an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln, welches diese Informationen an Finanzämter der anderen europäischen Staaten weiter leitet.
Spanische Banken sind bspw. infolge der seitens der spanischen Finanzbehörden zum Kampf gegen den Steuerbetrug und der Schattenwirtschaft installierten Mittel verpflichtet, Eingänge und Zahlungen von Beträgen über 3.000,00 Euro mitzuteilen, um die Kontrolle und Verfolgung dieser Geldflüsse zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde das Steuerformular 171 geschaffen, welches von den Banken jährlich zu übermitteln ist. Während die spanischen Banken früher lediglich auf Anfrage diese Informationen erteilen mussten, hat diese neue Steuererklärung automatisch und auf telematischem Wege unter Mitteilung der vollständigen Namen, der Adressen, Konto- und Steuernummern der Beteiligten sowie des Datums des Vorgangs zu erfolgen. Spanien hat darüber hinaus die zwischen EU-Kommission und OECD erarbeitete Vereinbarung über gegenseitige Unterstützung in steuerlichen Angelegenheiten zur Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerbetrug mit Wirkung vom 16.11.2012 ratifiziert, so dass diese für Spanien ab 2013 Wirkung entfaltet.
Verbrauchsteuern
Im Jahr 1996 beliefen sich die Kosten der Steuerhinterziehung bei Tabakwaren und Alkohol im Binnenmarkt auf ca. 4,8 Mrd. Euro bei einem gleichzeitigen Verbrauchssteueraufkommen der Mitgliedstaaten von insgesamt ca. 234 Mrd. Euro. Dieses hohe Ausmaß an Verbrauchssteuerbetrug soll mit direkterer Kommunikation zwischen den zuständigen Verwaltungsstellen als auch durch umfassenden und verbindlich geregelten Informationsaustausch mithilfe von elektronischen Systemen eingedämmt werden. Hierzu waren die EU-Verordnung 2073/2004 des Rates und die Richtlinie 2004/106/EG des Rates verabschiedet worden.
Um die oben genannten Ziele zu erreichen, wurde beispielsweise eine Dreimonatsfrist errichtet, in der die Finanzämter der Mitgliedstaaten anderen Mitgliedstaaten Informationen auf Anfrage zu übermitteln haben. Im Falle eines Risikos oder eines Vorliegens eines schweren Betrugsfalles herrscht darüber hinaus der obligatorische automatische Informationsaustausch, der ohne vorherige Anfrage vollzogen wird. Zudem findet eine Verfahrensformalisierung statt, die es Beamten ermöglicht, in anderen Mitgliedstaaten zu ermitteln oder auch gleichzeitige Steuerprüfungen mit Beamten aus mehreren Staaten durchzuführen. Weiter wird der Informationsaustausch mit Nicht-EU-Staaten als auch die Frist zur Speicherung von Daten geregelt.
Mehrwertsteuer
Die Verbesserung der Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen im Bereich der Mehrwertsteuer ist seit dem 1.1.2012 mit Inkrafttreten der EU-Verordnung 904/2010 des Rates vom 7.10.2010 und der Aufhebung der vorherigen Verordnung 1798/2003 weiter vorangeschritten.
Die neue Verordnung enthält insbesondere präzise Regelungen dazu, welche Informationen erhoben werden dürfen und in welchem Ausmaß diese innerstaatlich gespeichert und anderen Mitgliedstaaten übermittelt werden sollen.
Des Weiteren wird die Rechtssicherheit von Informationen an den Steuerpflichtigen über das sogenannte MIAS (Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem) erhöht.
Auf dieser Verordnung beruht zudem das Betrugsbekämpfungsnetzwerk Eurofisc, welches die Verwaltungszusammenarbeit bei organisiertem Mehrwertsteuerbetrug und insbesondere bei Karussellbetrug steigern soll. Eurofisc setzt sich aus Betrugsexperten aus allen EU-Staaten zusammen, die ihre Arbeit im Februar 2011 aufnahmen.
Steuerbeitreibung
In Fällen, in welchen Steuerpflichtige ihrer Zahlungspflicht nicht nachkommen und sich in anderen EU-Staaten aufhalten oder ihre Vermögenswerte sich dort befinden, existieren europäische Regelungen zur Steuerbeitreibung, insbesondere bezüglich der Kommunikation, dem Verwaltungsverfahren und Kostenerstattungsregeln.
Die aktuelle Kodifizierung dieser Bestimmungen wurde mit der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen verabschiedet.
Diese soll die Verbesserung des europäischen Steuerbetreibungssystems, welches sowohl die Vollstreckung von Verwaltungsakten, als auch die Ergreifung von Sicherheitsmaßnahmen in anderen Mitgliedstaaten erlaubt, fördern.
Steuerkontrolle EU – geplante Maßnahmen
Programm Fiscalis 2013
Fiscalis 2013 ist ein europäisches Gemeinschaftsprogramm, welches den nationalen europäischen Steuerverwaltungen die Möglichkeit gibt, einen Erfahrungs- und Informationsaustausch vorzunehmen. Beamte und Beamtinnen der EU-Staaten als auch aus Kandidatenländern erarbeiten transeuropäische IT-Systeme, um die Funktionsweise der Steuersysteme zu verbessern. Das Programm dient insbesondere der Erweiterung der Steuerbetrugsbekämpfung, dem effektiven Informationsaustausch und der Verminderung von Verwaltungsaufwand sowohl für Behörden als auch für Steuerpflichtige.
Über Fiscalis 2013 haben das Europäische Parlament und der Rat am 11.12.2007 entschieden. Dabei war eine Programmdauer von 6 Jahren (2008-2013) festgelegt worden. Bereits in den Jahren 1998-2002 und 2003-2007 gab es entsprechende Programme. Die Europäische Kommission ist für deren Umsetzung verantwortlich.
Im Jahre 2011 wurde eine Zwischenbewertung von Fiscalis 2013 vorgenommen, die insgesamt positiv, insbesondere bezüglich der Aspekte Effektivität, Effizienz und Relevanz, ausfiel. Es wurden zudem Empfehlungen für weitere Verbesserungen ausgesprochen. Dazu gehören unter anderem die Verstärkung der Zusammenarbeit im Bereich der Direktbesteuerung, das Ziel der Reduzierung der Belastungen für den Steuerzahler als auch die Einführung eines wirkungsorientierten Monitoring- und Evaluationssystems für das Fiscalis Programm.
Für das Jahr 2013 wurde am 28.01.2013 ein Strategischer Rahmen für das Jahresarbeitsprogramm festgelegt, welches Tätigkeiten in sieben verschiedenen Bereichen wie beispielsweise „Bessere Funktionsweise der Steuersysteme im Binnenmarkt“ und „Informationsaustausch und Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten und in diesem Rahmen ggf. zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern“ vorsieht.
Strategie zur Bekämpfung des Steuerbetrugs
Die aktuelle Schätzung der jährlich entgangenen Steuereinnahmen infolge von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung belaufen sich auf eine knappe Billion Euro. Die Europäische Kommission hat am 6.12.2012 einen Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgelegt. Dieser fasst aktuelle und künftige kurzfristige Maßnahmen für das Jahr 2013, mittelfristige bis 2014 und längerfristige Maßnahmen für den Zeitraum nach dem Jahr 2014 zusammen.
Eine umfassende wirksame Bekämpfung besteht nach Ansicht der Europäischen Kommission aus nationalen, europäischen als auch globalen Maßnahmen.
Auf nationaler Ebene sollen Steuervorschriften besser eingehalten werden und die Verwaltung effizienter gestaltet werden. Die EU soll die Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen und den automatischen Informationsaustausch weiter ausbauen und verbessern. Auf globaler Ebene sei genauso ein automatischer Informationsaustausch unter den Finanzbehörden notwendig. Zudem müssten Entwicklungsländer unterstützt werden und die Grundlagen der weltweiten Transparenz ausgebaut werden.
Spanien reagierte mit dem Gesetz 7/2012, vom 29.10.2012 gegen den Steuerbetrug auf die Notwendigkeit von insbesondere nationalen Maßnahmen. Nähere Informationen zu deren Inhalten finden Sie hier.
Auch in Deutschland wurden entsprechende Schritte mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung vom 29. 07.2009 als auch dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und Steuerhinterziehung vom 28.04.2011 vorgenommen.
Ende Mai 2013 wurde darüber hinaus bspw. zwischen Deutschland und den USA ein Abkommen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung unterzeichnet. Beide Staaten verpflichten sich damit zum gegenseitigen automatischen Informationsaustausch.
Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 25.4.13 (C 212/11) steht das Gemeinschaftsrecht nationalen Regelungen nicht entgegen, nach welchen in der EU tätige Kreditinstitute, selbst ohne Ansässigkeit, dortigen Behörden für die Bekämpfung der Geldwäsche erforderliche Daten unmittelbar zu übermitteln haben. Nach der entsprechenden Richtlinie zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung hat jeder Mitgliedstaat eine zentrale Meldestelle einzurichten, welche Informationen zu potentiellen Fällen von Geldwäsche entgegennimmt und an die zuständigen Behörden weitergibt. Jedem EU-Staat ist es damit grds. möglich, jedwede in seinem Land bei Kreditinstituten durchgeführten Finanztransaktionen zu überwachen.
Die Europäische Staatsanwaltschaft
Die Europäische Kommission hat am 17.07.2013 ihren Vorschlag einer Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft vorgestellt. In diesem Zusammenhang wurde auch ein Reformvorschlag der Einheit für justizielle Zusammenarbeit der Europäischen Union (Eurojust) sowie Überlegungen zur Verbesserung des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung (OLAF) vorgelegt.
Die EU-Staatsanwaltschaft soll eine ausschließliche Kompetenz für Straftaten, die gegen die finanziellen Interessen der EU gerichtet sind, erhalten. Dabei soll ein von den Mitgliedsstaaten gewählter EU-Staatsanwalt in jedem Land einen Kollegen, der in seinem heimatlichen Justizsystem sehr gut vernetzt ist, ernennen. Die 28 „Europäischen Staatsanwälte“ sollen die tägliche Arbeit verrichten und Ermittlungen aufnehmen, wenn Betrugsverdacht bezüglich europäischen Geldern besteht. Die Koordinierung dieser Untersuchungen übernimmt der EU-Staatanwalt. Im Falle einer Anklage der EU-Staatsanwaltschaft sollen sodann die nationalen Gerichte entscheiden.
Mit der Arbeitsaufnahme der EU-Staatsanwaltschaft wird frühestens zum 1. Januar 2015 gerechnet.
©2013 Verfasser Steuerkontrolle EU: F. Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Vorangehender Artikel wurde u.a. veröffentlicht auf der homepage der Außenhandelskammer Spanien
Eilmassnahmen Steuern Spanien 2012
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