Arbeitszeiterfassung Spanien

Mit Datum vom 13.5.2019 ist das am 8. März 2019 durch Königlichen Erlass (Real Decreto-ley 8/2019) verabschiedete Gesetz über dringende Sozialschutzmaßnahmen und der Bekämpfung prekärer Arbeitszeitbedingungen („medidas urgentes de protección social y de lucha contra la precariedad laboral en la jornada de trabajo“) in Spanien in Kraft getreten. Mit dem Gesetz zur Arbeitszeiterfassung in Spanien werden Maßnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern, welche durch den obersten Gerichtshof aufgehoben worden waren, wiederhergestellt.
Artikel 10 des Gesetzes modifiziert Art. 34 des spanischen Arbeitnehmergesetzes (Estatuto de los Trabajadores, ET) und fügt einen neuen Absatz 9 ein, der Unternehmen verpflichtet ein Tagesregister zu führen, welches den konkreten Arbeitsbeginn und das konkrete Arbeitsende jedes einzelnen Mitarbeiters – unbeschadet der Möglichkeiten einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung in Übereinstimmung mit dem Arbeitnehmergesetz – festhält. Das Gesetz legt keine Bestimmungen zur Form dieses Registers fest. Lediglich regelt es eine Aufbewahrungsfrist von 4 Jahren in denen die Register zur Verfügung der Mitarbeiter, deren Rechtsvertretern und der Inspektion der Arbeitsbehörden stehen müssen.
Mithilfe des Gesetzes zur Arbeitszeiterfassung Spanien soll der Arbeitsinspektion die Kontrolle ermöglicht werden, dass Arbeitszeiten nicht überschritten und im Falle des Überschreitens, vergütet werden. Ziel des Gesetzgebers ist Gesetzesverstöße aufgrund unbezahlter oder Überstunden überprüfen und Missbrauchssituationen aufdecken zu können.
Den Unternehmen bleibt die Wahl des Mediums ihres Zeiterfassungssystems selbst überlassen, dieses muss nur nachweislich die täglichen Anfangs- und Endzeiten darstellen. Mithin ist die Verwendung analoger Systeme, wie Stechuhren ebenso möglich, wie manuelle Erfassung oder aber digitale Systeme in Form von Apps, die auf den Endgeräten des Arbeitnehmers oder des Unternehmens installiert werden. Dies ermöglicht auch die Erfassung von Arbeiten im „home office“, denn auch Arbeitsstunden fern vom Arbeitsplatz sind zu berücksichtigen.
Bei der Einführung jedenfalls moderner Zeiterfassungssysteme sollten Unternehmen Arbeitnehmer und Arbeitnehmervertreter mit einbinden, um insbesondere Verstöße gegen Datenschutz und Bestimmungen zum Schutz der Privatsphäre zu vermeiden. Ansonsten kann die Arbeitszeiterfassung manuell mit Unterschrift erfolgen. Das Register muss folgende Informationen enthalten:
- Identität des Unternehmens mit Steuernummer
- Identifizierung des Arbeitnehmers mit Steuernummer
- Spezifizierung der täglichen Arbeitszeit mit Beginn, Unterbrechung/en und Ende
- Angabe der regulär und zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden pro Arbeitstag
- Tägliche Unterschrift des Arbeitnehmers
- Unterschrift des gesetzlichen Vertreters des Unternehmens am Monatsende
Dies unbeschadet dessen, ob es sich im Einzelfall um Voll- oder um Teilzeitarbeitsverträge handelt und ob Überstunden gearbeitet werden oder nicht.
Verstöße gegen die Bestimmungen des neuen Absatzes 9 des Art 34 ET bei der Registrierung der Arbeitsstunden werden als schwer gewertet und (gemäß Art. 7.5 de la Ley de Infracciones y Sanciones del Orden Social) mit Strafen belegt.
Letztlich bestimmt das Gesetz, dass die Regierung auf Vorschlag des Arbeitsministeriums und nach Anhörung der wesentlichen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen Beschränkungen und Erweiterungen der Regulierung und der Dauer der Arbeits- und der Erholungszeiten, sowie spezielle Bestimmungen im Rahmen der Registrierung der Zeiterfassung für Sektoren, Arbeiten und Kategorien, die aufgrund ihrer Besonderheiten dies erfordern, treffen kann.
Inspektionen der Sozialversicherungen werten als schweren Verstoß nicht nur das Fehlen eines Registers, oder die Feststellung von Überschreiten der Arbeitszeiten oder nicht registrierten Überstunden und deren Verschleierung, sondern auch Fälle in denen zwar ein Register geführt wird und eine Erklärung der Überstunden vorliegt, jedoch das gesetzlich zulässige Maximum von 80 Überstunden überschritten wird.
Mit Datum vom 10.06.2019 hat die Generaldirektion für Arbeitsinspektion und Sozialversicherung ihre Kriterien für die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung veröffentlicht:
- Der Verpflichtung ist täglich nachzukommen
- Pausen und Unterbrechungen müssen nicht registriert werden
- Die Gesamtzahl der effektiven Arbeitsstunden ist nicht anzugeben
- Die Regelung findet auch auf Außendienst – und ebenso im Ausland tätige Mitarbeiter Anwendung
Dokumentation der Arbeitszeiterfassung in Spanien:
- Jedwedes Mittel das geeignet ist, in zuverlässiger Weise die Arbeitsstunden zu registrieren ist zulässig. Nachträglich manipulierbare Medien können angezweifelt werden. Es sollten mindest monatliche Ausdrucke von den Arbeitsvertragsparteien gegengezeichnet werden.
- Das Register muss jederzeit am Arbeitsort einsehbar sein. Im Falle, dass ein Original andernorts aufbewahrt wird, ist die Vorlage eines scans ausreichend.
Arbeitszeiterfassung EU
Gemäß Pressemitteilung vom 14.5.2019 hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH, Rechtssache C-55/18) entschieden, dass Arbeitszeiten seitens der Arbeitgeber systematisch und vollumfänglich zu erfassen sind. Sowohl die EU-Arbeitszeitrichtlinie als auch die EU-Grundrechtecharta der Europäischen Union verpflichte hierzu. Nur auf diese Weise sei eine Kontrolle der Überschreitung zulässiger Arbeitszeiten möglich.
Das Gericht führt aus, „um die nützliche Wirkung der von der Arbeitszeitrichtlinie und der Charta verliehenen Rechte zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber daher verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen“.
Mit dem Urteil werden die EU-Mitgliedstaaten nun verpflichtet, ein System zur systematischen Erfassung der Arbeitszeiten durch Arbeitgeber zu bestimmen. Das Urteil wird mithin zu erheblichen Auswirkungen auf den Arbeitsalltag in allen Ländern der EU und zu mit Spanien vergleichbaren Regelungen führen.
Arbeitszeiterfassung Spanien – Home-Office
Wenn der Arbeitnehmer „remote“ aus Spanien arbeitet und dies im Arbeitsvertrag festgelegt ist oder sich aus den tatsächlichen Umständen ergibt, dann gilt der Wohnsitz in Spanien als offizieller Arbeitsort (home-office).
Daher kann dieser Ort grundsätzlich Gegenstand einer Arbeitsinspektion in Spanien sein – allerdings mit bestimmten wichtigen Einschränkungen, insbesondere im Hinblick auf das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 18.2 der spanischen Verfassung). Das bedeutet, die Arbeitsinspektion darf die Wohnung des Arbeitnehmers nicht ohne dessen ausdrückliche Zustimmung betreten; ein Zutritt ist nur mit richterlicher Genehmigung möglich. Die spanische Arbeitsaufsicht kann:
– Unterlagen vom Arbeitgeber anfordern (z. B. Arbeitszeiterfassung, Arbeitsvertrag, Gehaltsabrechnungen usw.),
– den Arbeitnehmer befragen oder zur Mitwirkung auffordern. Dieser ist zur Kooperation verpflichtet.
– telematische Prüfungen oder Vernehmungen durchführen.
– in schwerwiegenden Fällen eine richterliche Anordnung zur Wohnungsdurchsuchung beantragen.
Sofern der Arbeitnehmer regelmäßig aus seinem Wohnsitz in Spanien heraus arbeitet, gilt dieser Ort als Arbeitsstätte im rechtlichen Sinne. Der Arbeitgeber hat:
- für sichere Arbeitsbedingungen Sorge zu tragen (z. B. Ergonomie, Prävention Arbeitsrisiken),
- ein verlässliches System zur Arbeitszeiterfassung bereitstellen,
- in der Lage sein, unmittelbar oder über einen Berater mit der spanischen Arbeitsaufsicht zu kooperieren, falls es zu einer Kontrolle kommt.
Der ausländische Arbeitgeber eines in Spanien ansässigen und aus dem home-office tätigen Arbeitnehmers muss ein System einführen, mit dem dieser seine tägliche Arbeitszeit aus Spanien heraus erfassen und auf das der Arbeitnehmer zugreifen kann. Der auch ausländische Arbeitgeber muss diese Aufzeichnungen vier Jahre lang aufbewahren und sie auf Verlangen der spanischen Arbeitsaufsichtsbehörde („Inspección de Trabajo“) zur Verfügung stellen.
Wenn es zu einer Betriebsprüfung oder einer Beschwerde kommt (z. B. wegen nicht vergüteter Überstunden), kann die spanische Arbeitsaufsicht dem ausländischen Arbeitgeber auch ohne Niederlassung in Spanien Sanktionen auferlegen.
Zwar müssen sich die Arbeitszeitnachweise nicht physisch am Arbeitsort, also im Homeoffice zur Verfügung des Prüfers befinden, aber sie müssen jederzeit abrufbar und überprüfbar sein – sowohl für den Arbeitnehmer als auch für die spanische Arbeitsinspektion. Sie müssen dieser auf erste Anforderung ohne Verzögerung bereitgestellt werden können. Ansonsten kann dies als Verstoß gewertet und sanktioniert werden.
©2019 Verfasser Arbeitszeiterfassung Spanien: F. Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt
Spanien), Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht