Kanzlei Frank Dieter Müller & Asociados

Durchgriffshaftung Spanien

Durchgriffshaftung Spanien

Eine Haftungsbeschränkung soll unter bestimmten Voraussetzungen vor wirtschaftlichen Risiken und dem Verlust persönlichen Vermögens, das ansonsten für vertragliche oder gesetzliche Ansprüche von Gläubigern neben dem Vermögen des Unternehmens haften könnte, schützen. Der vorliegende Artikel Durchgriffshaftung Spanien behandelt die Durchbrechung von Haftungsbeschränkungen einer Kapitalgesellschaft.

Neben individuellen Vereinbarung oder durch Einsatz von Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit welchen die Haftung auf bestimmte Höchstgrenzen oder grob fahrlässige Verletzung vertraglicher Pflichten beschränkt wird, kommt die Zwischenschaltung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Betracht.

Eine Haftungsbeschränkung durch vertragliche Individualvereinbarung oder AGB schützt aber nicht vor der unbegrenzten Haftung aus gesetzlichen Schuldverhältnissen.
Gesellschaften mit einer Haftungsbeschränkung limitieren die Möglichkeiten der Gläubiger auf das Vermögen des Unternehmens, so im Falle der Gesellschaft mit beschränkter Haftung die eine Inanspruchnahme der Gesellschafter der GmbH für deren Verbindlichkeiten grundsätzlich unmöglich macht. Das Privatvermögen der Gesellschafter ist mithin, sofern das Stammkapital voll eingezahlt und keine Nachschusspflicht vorgesehen ist, grds. sicher vor Gläubigern der Gesellschaft.

Eine Durchbrechung ist aber in Ausnahmefällen durchaus möglich.

1. Durchgriffshaftung Spanien  – „responsabilidad derivada“

Die spanische Gesellschaftsform der „Sociedad Limitada“ (SL) entspricht im Grundsatz der deutschen GmbH und findet sich gesetzlich im „Ley de Sociedades de Capital“ geregelt. Es handelt sich demnach um eine Kapitalgesellschaft, welche als eigenständige juristische Person für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen haftet; eine Haftung der Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Allerdings kann es in Einzelfällen zu einer sog. Durchgriffshaftung („responsabilidad derivada“) für Geschäftsführer („administrador“) aber auch Gesellschafter kommen, welche eine persönliche Haftung mit persönlichen Vermögen zur Folge hat.

a. Durchgriffshaftung Spanien – Gesellschafter

Die Gesellschafter einer spanischen GmbH (SL) sind als deren Teilhaber zur Leistung ihres Anteils am Stammkapital verpflichtet. Mit dem entsprechenden Betrag des Kapitals haftet die SL sodann für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Eine darüberhinausgehende, persönliche Haftung der Gesellschafter besteht nicht. Sie genießen, entsprechend dem Grundgedanken der Kapitalgesellschaft, Haftungs- und Risikoschutz.

Eine Durchgriffshaftung eines Gesellschafters kommt daher lediglich in Betracht, wenn diesem eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Gründung oder Löschung der Gesellschaft, oder bei der Kapitalerhöhung oder –reduzierung vorwerfbar ist.

Dabei ist für eine persönliche Haftung erforderlich, dass der Gesellschafter „arglistig“ und rechtsmissbräuchlich gehandelt hat.

b. Durchgriffshaftung Spanien – Geschäftsführer

Grundsätzlich besteht bei der SL die Möglichkeit ihre Leitung einem einzelnen Geschäftsführer zu übertragen („administrador único“), mehreren einzelvertretungsberechtigten („administradores solidarios“) oder gemeinschaftlichen Geschäftsführern („administradores mancomunados“), sowie einem Kollegialorgan, dem Verwaltungsrat („consejo de administración“). Sollte letztere Möglichkeit gewählt werden, was insbesondere bei größeren Kapitalgesellschaften häufig der Fall ist, ist zusätzlich die Einsetzung eines oder mehrerer leitender Verwaltungsräte („consejero delegado“) notwendig.

Die Geschäftsführer sind sodann als die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft zur ordentlichen Geschäftsführung verpflichtet. Bei einer schuldhaften Verletzung dieser Pflicht trifft sie eine persönliche Haftung.

2. Durchgriffshaftung Spanien – Geschäftsführerpflichten

Die der Leitung der SL erwachsende Pflicht zur ordentlichen Geschäftsführung umfasst unter anderem auch die Erfüllung steuerlicher Pflichten, eine ordnungsgemäße Buchführung, die Abgabe der Steuererklärung sowie das fristgemäße Abführen von Steuern. Für den Fall, dass ein Geschäftsführer dabei nachlässig gehandelt, oder sich leichtfertig oder auch betrügerisch verhalten hat, statuieren Artikel 42, 43 des „Ley General Tributaria 85/2003“ (LGT, das Gesetz entspricht der deutschen Abgabenordnung) die persönliche Haftung des Geschäftsführers für entstandene Steuerschulden.

a. Durchgriffshaftung Spanien – Voraussetzungen  

Gemäß Art. 43 LGT haften subsidiär alle natürlichen und juristischen Personen, die im Zeitpunkt, in dem durch eine juristische Person Steuerpflichten verletzt werden, das Amt eines Geschäftsführers innehaben, wenn diese Verletzung darauf zurückzuführen ist, dass die Geschäftsführer die ihnen gesetzlich zugeschriebenen Pflichten nicht erfüllt haben.

Da es sich um eine nur subsidiäre Haftung handelt, ist zunächst Voraussetzung, dass die betroffene Gesellschaft ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat und kein Gesellschaftsvermögen mehr zur Begleichung der Steuerschulden vorhanden ist.

Ist dies der Fall, kommt eine subsidiäre Haftung in Betracht, sofern  

  1. Ein Steuervergehen durch die Gesellschaft vorliegt
  2. Der Betroffene im Zeitpunkt der Verletzung der Steuerpflicht das Amt des Geschäftsführers innehatte und
  3. Dem Geschäftsführer ein Verhalten anzulasten ist, welches den Voraussetzungen des Art. 43.1 a) LGT entspricht, das heißt wenn dieser nicht die notwendige Sorgfalt zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen aufgebracht hat, sodass er durch Tun oder Unterlassen zur Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten beigetragen hat. 

Letzteres ist beispielweise gegeben, wenn der Geschäftsführer die in seine Zuständigkeit fallenden notwendigen Aufgaben zur Erfüllung der Steuerpflicht unterlässt, in die Nichterfüllung der Steuerpflicht einwilligt oder Vereinbarungen schließt, die eine solche Pflichtverletzung ermöglichen. Gemäß Art. 183.1 LGT ist dabei Fahrlässigkeit ausreichend.

b. Mehrere Geschäftsführer

Hat die SL ihre Leitung auf mehrere Geschäftsführer übertragen oder einen Verwaltungsrat eingesetzt, haften alle Geschäftsführer und Mitglieder persönlich und unbeschränkt. Es handelt sich dabei um eine gesamtschuldnerische Haftung, sodass jeder Geschäftsführer zunächst auf die gesamte Summe in Anspruch genommen werden kann. Sodann kann er im Innenverhältnis von den anderen Gesellschaftern einen Ausgleich verlangen, trägt damit aber auch deren Insolvenzrisiko.

3. Durchgriffshaftung Spanien – Fallbeispiel: Haftung des nur formal eingetragenen Geschäftsführers

Der Ablauf eines Verfahrens, in welchem ein nur noch formal eingetragener, aber tatsächlich das Amt nicht mehr ausführender Gesellschafter im Rahmen der Durchgriffshaftung in Anspruch genommen wird, soll anhand eines Beispielfalles erläutert werden, da es sich hierbei um eine in der Praxis häufig anzutreffende Fallgestaltung handelt.

a. Beispielssachverhalt zur Durchgriffshaftung Spanien

Ein Angestellter einer deutschen Muttergesellschaft übernimmt im Zusammenhang mit seiner Anstellung bei dieser in Deutschland auch den Posten des Geschäftsführers einer Tochtergesellschaft in Spanien in Form einer S.L., an welcher die Muttergesellschaft Anteile hält. Da die Leitung der SL an einen Verwaltungsrat übertragen ist, erfolgt dies im Beispielsfall durch die Übernahme des Amtes des Verwaltungsratsvorsitzenden. Allerdings übt er im Namen der deutschen Muttergesellschaft nicht tatsächlich die Geschäftsführung aus, sondern ist zwar formal insoweit im Handelsregister eingetragen, jedoch stellen die lokalen (spanischen) Mehrheitsgesellschafter(-Geschäftsführer) die operative Geschäftsführung und sind auch für die Buchführung und Steuererklärung zuständig. Der deutsche Gesellschafter wirkt lediglich im Rahmen der Jahresabschlüsse mit, ist ansonsten jedoch weder aktiv noch passiv an der Geschäftsführung beteiligt. Seine Bestellung ist auf 5 Jahre begrenzt, von 2010-2015.

Anfang 2014 scheidet der Geschäftsführer aus der deutschen Muttergesellschaft aus. Laut Aufhebungsvertrag, welchen er (lediglich) mit der Muttergesellschaft schließt, legt er mit sofortiger Wirkung alle Ämter nieder und vereinbart mit der Muttergesellschaft, dass diese die Löschung aller Registereinträge besorgt. Dieser Aufhebungsvertrag sowie ein weiteres Schreiben an die deutsche Muttergesellschaft, in welchem der Gesellschafter nochmals ausdrücklich seinen Rücktritt von allen Ämtern erklärt, sind die einzigen schriftlichen Dokumente, welche in Bezug auf die Amtsniederlegung vorhanden sind.

Entgegen der Erwartung des Angestellten kommt es jedoch nicht zu einer Löschung des Geschäftsführers aus dem spanischen Handelsregister, sodass dieser weiterhin, ohne sein Wissen, formal als Geschäftsführer der SL eingetragen bleibt.

In der Folgezeit gerät die spanische SL in wirtschaftliche Schwierigkeiten und unterlässt daraufhin die Zahlung ihrer steuerlichen Verbindlichkeiten.

Nach einigen Jahren erhält der Geschäftsführer diesbezüglich einen Steuerbescheid des spanischen Finanzamtes, in welchem er zur Begleichung der angefallenen Steuerschulden der SL aufgefordert wird. Erst in diesem Zeitpunkt stellt er fest, dass eine Löschung im Handelsregister nicht erfolgt ist, sondern er weiterhin formal in Spanien als Geschäftsführer eingetragen ist.

b. Durchgriffshaftung Spanien – Verfahren des spanischen Finanzamts

Sobald bei einer SL Steuerschulden anfallen und diese trotz Aufforderung gegenüber der Gesellschaft nicht beglichen werden, ermittelt das Finanzamt zunächst das Vermögen der Gesellschaft selbst, um dieses, soweit vorhanden, zu pfänden. Dabei kann es sich sowohl um materielle oder immaterielle Güter als auch Rechte und Kredite der SL handeln. Im Falle der Insolvenz ist allerdings ggf. vorliegendes Vermögen nicht pfändbar.

In einem solchen Fall leitet das Finanzamt ein Verfahren der Durchgriffshaftung gem. Art. 43 LGT ein. Darüber werden die Geschäftsführer in einer ersten Mitteilung informiert und sodann deren Vermögen ermittelt.

c. Durchgriffshaftung Spanien – Möglichkeiten des Vorgehens  

Gegen einen entsprechenden, ein Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid des Finanzamtes kann bei der Ursprungsbehörde Widerspruch eingelegt („recurso de reposición“), eine Art Einspruch beim Finanzgericht, das auf verwaltungsrechtlichem Wege die Rechtmäßigkeit des Bescheids überprüft („reclamación economico-administrativa“) erhoben, sowie im Anschluss daran Klage beim Verwaltungsgericht („recurso contencioso administrativo“) eingereicht werden.

Daneben kann gem. Art. 233 SteuerG, Ley 58/2003 die vorläufige Aussetzung des Vollzugs der Steuerforderung beantragt werden, bis über das eingelegte Rechtsmittel entschieden wurde. Voraussetzung ist jedoch eine entsprechende Sicherheitsleistung in Höhe der Steuerschuld wie etwa eine Steuerbürgschaft in der Höhe der Forderung. Anderenfalls kann das Rechtsmittel auch mit Begleichung der Forderung, das heißt ohne aufschiebende Wirkung eingelegt werden.

Darüber hinaus ist es auch möglich, die Forderung anzuerkennen, was zu einer Reduzierung der selbigen führt.

d. Durchgriffshaftung Spanien – Argumentation Widerspruch Finanzamt  

In dem oben erläuterten Beispielsfall ist es dem Geschäftsführer nun möglich Widerspruch gegen die Inanspruchnahme durch das Finanzamt einzulegen. Folgende Argumente wurden im Beispielsfall vorgebracht:

  • Er habe die Geschäftsführung in der spanischen SL lediglich im Rahmen und zur Förderung seiner beruflichen Laufbahn in der deutschen Muttergesellschaft übernommen und daher auch nicht in eigenem Namen, sondern lediglich in Vertretung der deutschen Muttergesellschaft den Posten des Verwaltungsrates übernommen.
  • Durch den mit der Muttergesellschaft geschlossenen Aufhebungsvertrag habe er alle Ämter niedergelegt und die deutsche Muttergesellschaft habe sich zur Löschung aller Eintragungen seiner Ämter sowie zur Neubesetzung seiner Position verpflichtet.
  • Die spanischen Teilhaber hätten aufgrund ihrer Beteiligung von 80% an der SL die umfassende Kontrolle über diese besessen, während die deutsche Muttergesellschaft und somit er selbst nie an der gewöhnlichen Geschäftsführung mitgewirkt habe.
  • Sein einziger Beitrag zur aktiven Geschäftsführung habe darin bestanden, auf Anweisung der deutschen Muttergesellschaft bei der Ausfertigung und Genehmigung der Jahresabschlüsse mitzuwirken. Darüber hinaus habe er weder direkt noch indirekt an sonstigen Entscheidungen mitgewirkt. Insbesondere die Abwicklung der steuerlichen Angelegenheiten sei stets in die Zuständigkeit der spanischen Gesellschafter und Mitglieder des Verwaltungsrates gefallen.
  • Jegliche Forderungen, welche die Finanzbehörde ihm gegenüber geltend macht, seien zeitlich erst nach der Niederlegung seiner Ämter entstanden, sodass er in keinster Weise an dem Zahlungsausfall beteiligt gewesen sei. Aufgrund seines faktischen Ausscheidens habe er auch keinerlei Möglichkeit gehabt, Kenntnis von den Steuerschulden zu erlangen oder darüber hinaus Einfluss auf diesbezügliche Angelegenheiten auszuüben.  Er habe keinerlei Kenntnis davon gehabt, dass er formal weiterhin als Geschäftsführer der SL eingetragen gewesen ist.
  • Darüber hinaus sei seine Anstellung als Geschäftsführer auf fünf Jahre befristet gewesen. Die Annahme einer stillschweigenden Verlängerung dieser haftbaren Position sei unangemessen.

e. Durchgriffshaftung Spanien – Schwächen der Argumentation im Beispielsfall

Die oben angeführten Argumente sind an mehreren Stellen angreifbar und in solchen Fällen nicht sehr erfolgversprechend.

Grund dafür ist zum einen, dass Art. 108.3 LGT die widerlegliche Vermutung aufstellt, dass diejenige Person, welche im spanischen Handelsregister als Geschäftsführer einer Gesellschaft eingetragen ist, dieses Amt auch tatsächlich innehat. Da der deutsche Geschäftsführer weiterhin eingetragen ist und weder sein Ausscheiden von diesem Amt noch die Ernennung eines anderen Geschäftsführers verzeichnet ist, greift diese Vermutung zunächst. 

Zwar ist die Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister nicht konstitutiv (so auch der Oberste Gerichtshof, Urteil vom 14. Juni 2007), jedoch muss zur Entkräftung der Vermutung des Art. 180.3 LGT das Ausscheiden des Geschäftsführers auf andere Weise nachgewiesen werden können, um dementsprechend der subsidiären Haftung zu entgehen. Dies gelingt im Beispielsfall jedoch nicht, da lediglich der mit der deutschen Muttergesellschaft geschlossene Aufhebungsvertrag sowie eine weitere Erklärung dieser gegenüber dargelegt werden kann.  Aus diesen Dokumenten ergibt sich jedoch nicht, dass auch das Amt in der spanischen SL niedergelegt werden sollte. Darüber hinaus ist auch eine Erklärung gegenüber der SL nicht erfolgt.

Möglicherweise hat die deutsche Muttergesellschaft durch die fehlende Löschung der Eintragung gegenüber dem deutschen Geschäftsführer eine Pflicht verletzt und sich dadurch gegenüber diesem schadensersatzpflichtig gemacht, jedoch ist dieser zweiseitige Vertrag, den Geschäftsführer und Muttergesellschafter geschlossen haben, ohne Einfluss auf das Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der SL.

Auch die Berufung darauf, dass er lediglich in Vertretung der deutschen Muttergesellschaft gehandelt hat, versagt, da diese lediglich als Gesellschafterin in der SL partizipiert, jedoch kein formales Amt im Verwaltungsrat innegehabt hat. Daher hatte der Geschäftsführer die Position persönlich und in eigenem Namen inne, sodass ihn persönlich und nicht etwa die deutsche Muttergesellschaft die Pflicht getroffen hätte, eine Verwaltungsratssitzung oder die Hauptversammlung einzuberufen, um sein Ausscheiden zu beschließen und neue Verwaltungsratsmitglieder zu berufen. Dieser Aufgabe ist der Geschäftsführer jedoch nicht nachgekommen.

Für die Fälle des Rücktritts vom Amt des Geschäftsführers bestimmt Art. 147 des Reglamento del Registro Mercantil (RRM), dass dieser Rücktritt eingetragen werden kann, wenn er gegenüber der Gesellschaft in nachweisbarer Form erklärt wurde, oder der Rücktritt durch das notariell beglaubigte Protokoll der Hauptversammlung oder des Verwaltungsrates nachgewiesen werden kann. Diese Nachweise sind erforderlich, da der zurücktretende Geschäftsführer darlegen können muss, dass er die entsprechende Hauptversammlung einberufen und für eine verantwortungsvolle Nachfolge gesorgt hat, was vorliegend nicht geschehen ist.

Zum anderen kann sich der Geschäftsführer auch nicht auf die Beendigung seiner Position und der damit einhergehenden Verpflichtungen durch Zeitablauf berufen, da dies nicht möglich ist, wenn durch dessen Ausscheiden das gesamte Führungsorgan aufgelöst würde (so das Zentrale Verwaltungsgericht, Entscheidung vom 2. Juni 2016). In einem solchen Fall besteht über den zeitlichen Ablauf des Bestellungszeitraumes hinaus die Verpflichtung zur Einberufung der Hauptversammlung zur Neubesetzung des Verwaltungsrates, da das Geschäftsführungsorgan als echter Teil der Unternehmensstruktur persönlich für die Geschäftsführung verantwortlich ist und daher dafür Sorge zu tragen hat, dass der Betrieb sowie die Leitung des Unternehmens, dessen Vertretung und die rechtliche Verantwortung nahtlos auf einen Nachfolger übertragen wird, um so den Betrieb der Gesellschaft aufrechtzuerhalten. Dies ergibt sich auch daraus, dass es sich bei der Vertretung des Geschäftsführers um eine organschaftliche Vertretung handelt, die für den Betrieb der Gesellschaft unumgänglich ist. Sollte es unmöglich sein, eine neue Geschäftsführung zu finden, ist der Geschäftsführer verpflichtet, die gerichtliche Auflösung der Gesellschaft zu beantragen.

Somit gilt der Geschäftsführer im Beispielsfall weiterhin als Geschäftsführer der SL und war somit auch zum Zeitpunkt der Steuervergehen als solcher anzusehen.

Indem er sich darauf beruft, dass er von der Nichtzahlung der Steuerschulden keine Kenntnis gehabt habe, da er aufgrund des Aufhebungsvertrages mit der Muttergesellschaft davon ausgegangen sei, auch das Amt im Verwaltungsrat der SL niedergelegt zu haben, macht der Geschäftsführer deutlich, dass er nicht allen Verpflichtungen nachgekommen ist, welche einem Geschäftsführer einer SL durch das spanische Handels- und Steuerrecht auferlegt werden. Demnach kann ihm auch eine Pflichtverletzung, die die Steuervergehen ermöglich hat, vorgeworfen werden.

4. Durchgriffshaftung Spanien – Fazit

Die Ausführungen zeigen, dass die Geschäftsführer einer SL bei der Beendigung ihres Amtes eine Neubesetzung veranlassen müssen und selbst dafür Sorge zu tragen haben, dass eine Löschung bzw. die Eintragung des Rücktritts vom Amt im Handelsregister auch tatsächlich durchgeführt wird. Jedenfalls aber sollte ein beweiskräftiger Nachweis über die Erklärung der Amtsniederlegung gegenüber der SL sowie den übrigen Geschäftsführern erstellt werden.

Denn sollte die Löschung nicht erfolgt sein sowie ein entsprechender Nachweis nicht erbracht werden können, ist ein Vorgehen gegen eine persönliche Durchgriffshaftung seitens der Finanzbehörde kaum erfolgversprechend. Denn gerade durch die Publizität des Registers und der Eintragungen sowie die Vermutung der Richtigkeit soll Sicherheit im Geschäftsverkehr geschaffen werden, indem das Vertrauen auf die Haftung, sofern kein eindeutiger Gegenbeweis erbracht werden kann, geschützt wird.

Sollte, wie im vorliegenden Fall, eine persönliche Haftung nicht mehr vermieden werden können, bleibt dem betroffenen Geschäftsführer kaum mehr als die Möglichkeit, Auskunft über das Vermögen der anderen Gesellschafter einzuholen, und zu versuchen, einem „Beiseiteschaffen“ des dortigen Vermögens zuvorzukommen und sich so wenigstens die Regressmöglichkeit zu erhalten.

5. Rechtsvergleich Durchgriffshaftung Spanien – Deutschland

Vergleicht man nun diese Regelungen der Durchgriffshaftung Spanien mit denjenigen des deutschen Rechts, bildet § 13 II GmbHG zunächst eine vergleichbare Grundlage für die Haftung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung: Für die Verbindlichkeiten einer Gesellschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Gesellschaftsvermögen. Demnach ist auch in Deutschland grundsätzlich eine persönliche Haftung nicht vorgesehen.

Jedoch ist eine darüberhinausgehende persönliche Haftung des Geschäftsführers im deutschen Recht nicht ausgeschlossen. Denn dieser ist gem. § 43 I GmbHG verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns anzuwenden und haftet für Verletzungen der daraus erwachsenden Obliegenheiten solidarisch für daraus entstandene Schäden, § 43 II GmbHG. Bei dieser Haftung handelt es sich um eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft für organschaftliche Pflichtverletzungen.  

Es ist aber auch eine Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten möglich, jedoch nur in begrenztem Umfang und aufgrund besonderer Anspruchsgrundlagen. Eine solche kann sich aufgrund von culpa in contrahendo, Rechtsscheinhaftung oder einer deliktischen Haftung ergeben. Mit Blick auf die vorstehend diskutierten steuerlichen Pflichten des Geschäftsführers kommt eine Haftung aus § 823 II BGB iVm §§ 69 I, 34 I AO in Betracht. Denn nach §§ 34, 69 AO haften die Geschäftsführer einer Gesellschaft, soweit Steuerverbindlichkeiten aufgrund einer von ihnen vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Pflichtverletzung nicht (rechtzeitig) erfüllt worden sind. Diese Haftungsschuld des Gesellschafters tritt dabei akzessorisch neben die Steuerschuld der Gesellschaft.

Würde man also eine zu dem oben beschriebenen Beispielsfall umgekehrte Situation, also eine Geschäftsführeranstellung bei einer deutschen Tochtergesellschaft, vorfinden, hinge eine Haftung auch hier von der Stellung als Geschäftsführer im Zeitpunkt der Pflichtverletzung ab.

Bei der Amtsniederlegung handelt es sich nach deutschem Recht um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich formfrei gegenüber dem Bestellungsorgan, also der Gesellschafterversammlung, oder alternativ gegenüber allen Gesellschaftern abgegeben werden kann. Bei einer mehrgliedrigen GmbH genügt nach § 35 II 2 GmbHG analog jedoch, dass die Erklärung einem Gesellschafter gegenüber abgegeben wurde (so zB. BGH NZI 2002, 97). Da die Muttergesellschaft im Beispielsfall als Gesellschafterin beteiligt war, und ihr gegenüber die Amtsniederlegung erklärt wurde, ist diese als wirksam anzusehen. 

Jedoch ist eine Beendigung des Amtes im deutschen Recht grds. auch durch Fristablauf möglich, und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem ausscheidenden Geschäftsführer um den alleinigen Geschäftsführer der Gesellschaft handelt, sodass im Falle einer unwirksamen Amtsniederlegung spätestens mit Ablauf der Frist die Geschäftsführerstellung endet.

Bei der Amtsniederlegung durch den Alleingesellschafter-Geschäftsführer ist jedoch zu beachten, dass dieser auch nach seiner Amtsniederlegung die gesetzlichen Pflichten gemäß der §§ 43 III, 64 GmbHG nachkommen muss, da sonst bereits in der Amtsniederlegung ohne Sorge für einen Ersatzgeschäftsführer die entscheidende Pflichtverletzung für die Haftung im Gläubigerinteresse liegt.

Das Ausscheiden aus dem Amt des Geschäftsführers ist gem. § 39 GmbHG im Handelsregister einzutragen, hat jedoch keine konstitutive Wirkung. Jedoch genießt auch das deutsche Handelsregister eine Richtigkeits- sowie Gutglaubensvermutung, sodass sich der Betroffene gem. § 15 HGB eingetragene Tatsachen entgegenhalten lassen muss. Anders jedoch als im spanischen Recht greift jedoch die Vermutung des § 15 HGB immer dann, sofern der Dritte von der Unrichtigkeit der Tatsache keine Kenntnis hatte und kann nicht anderweitig widerlegt werden.

©2019 Verfasser Durchgriffshaftung Spanien: F. Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- u. Gesellschaftsrecht

16. August 2019 von Frank Dieter Müller
Kategorien: Gesellschaftsrecht Spanien, Steuerrecht Spanien | Schlagwörter: | Kommentare deaktiviert für Durchgriffshaftung Spanien