EU-Verfahren mit geringem Streitwert vereinfacht
Ende 2013 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 entworfen und dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss im Rahmen ihres Berichts über die Überprüfung des Funktionierens des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vorgelegt.
Mit der Verordnung 861/2007 war ein vereinfachtes EU-Verfahren innerhalb der europäischen Union für Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Fällen eingeführt worden. Zudem wurde durch die Verordnung ein vereinfachtes Verfahren zur Urteilsvollstreckung in anderen Mitgliedstaaten eingeführt.
Ziel des Vorschlags zur Änderung der Verordnung war ist, die Verordnung dahingehend zu verbessern, dass das durch sie geregelte europäische Verfahren für geringfügige Forderungen stärker vor allem durch Verbraucher und KMU genutzt wird. Zu diesem Zweck sollten unter anderem der Anwendungsbereich vergrößert, das Verfahren vereinfacht und die Kosten des Verfahrens gesenkt werden.
Im Einzelnen enthält der Vorschlag für das vereinfachte EU-Verfahren folgende Änderungen:
1. Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Forderungen bis 10.000 Euro
Die Anhebung der bisherigen Streitwertgrenze von 2.000 Euro soll es vor allem KMU ermöglichen, ihre Forderungen bei grenzübergreifenden Streitigkeiten häufiger vor Gericht durchzusetzen. Nach bisherigen Untersuchungen betragen 30 % der Forderungen von KMU zwischen 2.000 und 10.000 Euro. Ein Großteil davon wird jedoch nicht gerichtlich durchgesetzt, da die jeweiligen innerstaatlichen Verfahren unverhältnismäßig teuer sind oder zu lange dauern.
2. Erweiterung der Begriffsbestimmung für grenzüberschreitende Rechtssachen
Da das Verfahren bisher nur für Streitigkeiten gilt, bei denen mindestens eine Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gericht hat, ist es unstatthaft, wenn beide Parteien im selben Mitgliedstaat wohnen, auch wenn ein erheblicher Auslandsbezug vorliegt. Um den Bürgern auch in solchen Fällen ein vereinfachtes und somit schnelleres und kostengünstigeres Verfahren zur Verfügung zu stellen, soll der Anwendungsbereich auf die Fälle erweitert werden, in denen lediglich der Erfüllungsort oder das schädigende Ereignis in einem anderen Mitgliedstaat liegen oder die Vollstreckung des Urteils in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet.
Zudem sollen auch Drittstaatsangehörige als Partei des Verfahrens auftreten können.
3. Verbesserung des Einsatzes der elektronischen Kommunikation im EU-Verfahren
Im Rahmen der umfassenden Förderung des Einsatzes der elektronischen Kommunikation soll die elektronische Zustellung zustellungsbedürftiger Dokumente an die Parteien der Zustellung durch Postdienste gleichgestellt werden. Im übrigen Schriftverkehr zwischen den Parteien und dem Gericht soll die elektronische Übermittlung die Regel darstellen. Die Parteien sollen jeweils den Übermittlungsweg wählen können.
4. Eine mündliche Verhandlung soll nur noch in Ausnahmefällen durchgeführt werden. Zudem sollen Gerichte verpflichtet werden, bei mündlichen Verhandlungen regelmäßig auf Telekommunikationsmittel wie Video- oder Telefonkonferenzen zurückzugreifen, es sei denn, eine Partei wünscht ausdrücklich die physische Anwesenheit.
5. Eine Obergrenze für Gerichtsgebühren soll eingeführt werden, die in einem bestimmten Prozentsatz des Streitwertes liegt. Die Gerichtsgebühren werden von den Mitgliedstaaten selbst bestimmt.
6. Mitgliedstaaten sollen verpflichtet werden, Möglichkeiten für Fernzahlungen, mindestens Banküberweisungen oder Online-Zahlungen mit Debit- oder Kreditkarte vorzusehen.
7. Die Pflicht zur Übersetzung des Formblatts D (Bestätigung des Urteils für Vollstreckungszwecke) soll auf den Inhalt des Urteils (Nummer 4.3) beschränkt werden.
8. Die Mitgliedstaaten sollen in Erweiterung des Artikel 25 dazu verpflichtet werden, der Kommission mitzuteilen, welche Gerichtsgebühren anfallen, wie diese entrichtet werden können und welche Hilfestellung die Parteien erhalten.
9. Artikel 26 und 27 sollen an das neue Verfahren der Befugnisübertragung gemäß Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union angepasst werden. Weiterhin soll das Recht auf Einlegung von Rechtsmitteln des Artikels 18 dem der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen anzupassen und entsprechend zu formulieren.
Nach Auffassung der Kommission würden durch die geänderte Verordnung sämtliche Grundrechte der Grundrechtecharta beachtet.
Die einzigen Kosten, die sich durch die Änderung ergeben, bestehen nach Auffassung der Kommission in der Ausarbeitung eines Berichtes fünf Jahre nach Anwendung der Verordnung.
©2014 Verfasser EU-Verfahren: F. Müller, Rechtsanwalt, Abogado, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- u. Gesellschaftsrecht