Lex Beckham Steuer – Abzocke des Finanzamts?
Mehrere spanische Medien, so u. a. „El Economista„, berichteten am 21.12.2024 von der Initiative einer internationalen Anwaltskanzlei mit Niederlassungen u. a. in London und Washington, gegen das spanische Finanzamt und die spanische Regierung. Demnach werfe die Kanzlei den spanischen Finanzbehörden Betrug an ihren Mandanten vor. Im Rahmen der Nutzung der steuerlichen, so genannten „Beckham-Regelung“, spreche diese von einer „Lex Beckham Steuer – Abzocke des spanischen Finanzamts“.
Die Kanzlei habe eine ganzseitige Anzeige in der Financial Times finanziert, um auf diesen „Spanischen Steuerdiebstahl“ aufmerksam zu machen. Demgemäß fordert die Kanzlei dazu auf, eine von ihr eingerichtete Webseite namens „Spanish Tax Pickpocket“ (Spanischer Steuer-Taschendiebstahl) zu besuchen. Auf dieser homepage der Kanzlei heißt es wörtlich:
„Spanish Tax Pickpockets“ ist eine rechtliche Interessenvertretung, die von der internationalen Anwaltskanzlei „…………….“ geleitet wird. Die Kanzlei wurde von einer Gruppe von Opfern angesprochen, um diejenigen zu vertreten, die von ungerechtfertigten Prüfungen, Ermittlungen und belastenden finanziellen Forderungen durch die spanischen Steuerbehörden ohne Grundlage negativ betroffen sind. Unsere Kampagne hat zum Ziel, eine kollektive Antwort zu entwickeln, um diese täuschenden und ungerechten Praktiken ans Licht zu bringen und die Rechte derjenigen zu verteidigen, die durch das sogenannte Beckham-Gesetz in Spanien in die Irre geführt wurden.
Gefangen in einem „Bait-and-Switch“- (also „zuerst ködern dann zuschlagen“)- Schema
Viele ausländische Führungskräfte zogen mit ihren Familien nach Spanien, basierend auf dem Versprechen des Beckham-Gesetzes, das eine Pauschalsteuer auf Einkünfte im Land beinhaltete. Nachdem sie sich jedoch niedergelassen hatten, wurden die Regeln geändert, und viele wurden herausgepickt.
- Unaufgeforderte und unerklärte Prüfungen
- Versuche, ausländisches Eigentum zu beschlagnahmen
- Belastende, teure und verwirrende Compliance-Anforderungen
Grundrechte verletzt
Die spanische Steuerbehörde (AEAT) hat ein Muster von Diskriminierung und Verfolgung von hochverdienenden ausländischen Residenten gezeigt, das möglicherweise gegen zahlreiche internationale Verträge verstößt.
- Die EU-Charta der Grundrechte, die das Recht auf eine wirksame Rechtsschutzmöglichkeit und faire Behandlung durch öffentliche Behörden garantiert.
- Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, die im EU-Recht verankert sind und verlangen, dass Durchsetzungsmaßnahmen angemessen und gerecht sind.
- Schutzbestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention gegen ungerechte Diskriminierung und Missbrauch staatlicher Macht.“
In der Webseite wird der Grund für die Aktion erklärt: „Du bist nach Spanien gezogen, weil Dir ein Versprechen gemacht wurde. Nachdem du dich niedergelassen hast, wurden die Regeln geändert.“
Die Kanzlei argumentiert, dass Spanien seine Steuerpolitik willkürlich geändert habe und dass Ausländer, die in Spanien gemäß der Lex Beckham Steuer ihre Einkünfte erklären, nun von der Steuerbehörde durch „eine Welle von Prüfungen, bei der erst geschossen und dann gefragt wird“, verfolgt würden.
Konkrete Begründungen enthalten die seitens der Kanzlei, welche zur Kontaktaufnahme zur „Sammlung einer Gruppe von Opfern“ der beschriebenen Vorwürfe, mglw. zwecks gemeinsamer Interessenvertretung, aufruft, jedoch nicht.
Tatsächlich bleiben diese Aussagen die Darlegung des rechtswidrigen Vorgehens der spanischen Finanzbehörden im Zusammenhang mit dem Spezialregime der Lex Beckham-Steuer schuldig.
Unzweifelhaft verstößt Spanien in einer ganzen Reihe von steuerlichen Sachverhalten gegen europäisches Recht oder Bestimmungen von Doppelbesteuerungsabkommen. So legt bspw. Artikel 23.1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Spanien und Deutschland das Prinzip der Gleichbehandlung fest, das es verbietet, Nichtansässige im Vergleich zu steuerlich Ansässigen in Bezug auf Steuern und steuerliche Verpflichtungen schlechter zu behandeln („Grundsatz der Nichtdiskriminierung“).
Im Kontext dessen steht die Bestimmung des Art. 31 Absatz 1 des spanischen Gesetzes über die Vermögensteuer, welche die Anwendung des gemeinsamen Höchstbetrags der gesamten Steuerpflicht aus der Einkommensteuer der natürlichen Personen (IRPF) und der Vermögensteuer (IP), mithin der Formeln der Anwendung im Rahmen des Zusammenspiels von Einkommen- und Vermögensteuer, ausschließlich auf in Spanien Ansässige beschränkt, die aufgrund ihrer persönlichen Steuerpflicht der Vermögensteuer unterliegen, im Widerspruch zum Prinzip der Nichtdiskriminierung gemäß dem Doppelbesteuerungsabkommen.
Eine Reihe weiterer nationaler spanischer Bestimmungen, wie bspw. die Ungleichbehandlung von Steuerausländern im Falle von Einkünften aus Vermietung in Spanien, verstoßen nach Auffassung des Unterzeichners gegen ähnliche Bestimmungen, gegen die wir in entsprechenden Verfahren für unsere Mandantschaft vorgehen.
Offensichtliche Rechtsverletzungen der spanischen Finanzbehörden in Beckham-Verfahren haben wir bislang jedoch nicht erkennen können. Zwar treten hin und wieder Mandanten mit abgelehnten Anträgen an uns heran. Bei entsprechender Prüfung haben wir aber feststellen können, dass entweder die Antragsvoraussetzungen nicht vorlagen oder die Anträge mangelhaft begründet waren.
Tatsächlich liegen allerdings in 9 von 10 Fällen, in denen Mandanten zwecks Beantragung des steuerlichen Spezialregimes an uns herantreten, die Voraussetzungen der Antragstellung nicht vor. Diese Mandanten sind regelmäßig aufgrund reißerischer Publikationen der Auffassung, die Antragsvoraussetzungen der Lex Beckham Steuerpflicht zu erfüllen, ohne deren tatsächlich erheblichen Umfang überhaupt zu kennen.
So vertreten bspw. regelmäßig Freiberufler diese Ansicht, ohne Kenntnis des höchst eingeschränkten Anwendungsbereichs des Gesetzes für diese Berufsgruppe. Ebenso regelmäßig treten höchst vermögende Personen an uns mit dem Ziel der Antragstellung heran, mit der Begründung, die Sonderregelung sei seitens des spanischen Staats geschaffen worden, um „high-net-worth individuals (HNWI)“ nach Spanien zu locken, die Motivation des Gesetzgebers zur Schaffung des Art. 93 also in der Lösung vermögensteuerlicher Problematiken nach Spanien umsiedelnder Steuerpflichtiger läge.
Die Darlegung, dass mit dieser Regelung Spanien bereits seit dem Jahr 2005, mithin seit fast 20 Jahren, einen steuerlichen Anreiz gibt, um qualifiziertes Personal in den spanischen Arbeitsmarkt einzugliedern, mithin dies die Motivation des Gesetzes sei und nicht die Umgehung der Vermögensteuer für wohlhabende Ausländer, die ihren Wohnsitz nach Spanien verlegen wollen, stößt tatsächlich in manchen Fällen auf Verwunderung. Und in seltenen Fällen sogar zur Aussage, dies hätten zuvor konsultierte Berater allerdings ausdrücklich auf diese Weise erläutert.
Selbstverständlich besteht allerdings bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Gewährung des steuerlichen Sonderstatus keine Vermögensteuerpflicht in Spanien für im Ausland belegenes Vermögen.
Die steuerliche Sonderregelung gewährt unter bestimmten und engen Voraussetzungen eine steuerliche Vorzugsbehandlung für Personen die ihren Wohnsitz in das spanische Hoheitsgebiet verlegen, um dort einen Arbeitsvertrag abzuschließen, eine Geschäftsführerstellung anzutreten, eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, die als unternehmerische Tätigkeit iSd Artikel 70 des Gesetzes 14/2013 eingestuft wird oder solche einer hochqualifizierten Fachkraft, die Dienstleistungen für Unternehmen erbringt, Ausbildungs- oder FuEuI-Tätigkeiten durchführt.
Sämtliche von uns seit Jahren, in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen, die mehrfach seit 2005 angepasst wurden, bearbeiteten Anträge wurden von den spanischen Finanzbehörden positiv beschieden; in keinem der Fälle kam es zu einer nachträglichen Aberkennung des Status.
Das Problem, das mglw. zu späteren Prüfungsverfahren und ggf. zur Aberkennung des Sonderstatus im Einzelfall hat führen können, kann aus hiesiger Sicht ggf. daraus resultieren, dass Artikel 93 des spanischen Einkommensteuergesetzes durch die dritte Schlussbestimmung des Gesetzes 28/2022 vom 21. Dezember über die Förderung des Ökosystems für Start-Ups (BOE vom 22. Dezember, Start-Up-Gesetz) mit Wirkung zum 01. Januar 2023 geändert wurde und erhebliche Änderungen im so genannten „Lex Beckham“ vorgenommen wurden, die Umsetzung dieses Gesetzes allerdings erst mit Verzögerung von einem Jahr, mittels Königlichem Dekret 1008/2023 vom 5. Dezember erfolgte.
Das Dekret änderte den Inhalt des Kapitel I in Artikel 113 bis 120 des Titels VIII (Spezielle Regimes) der Verordnung über die Einkommensteuer der natürlichen Personen (Reglamento del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas, RIRPF). Gemäß der Ersten Schlussbestimmung des „Real Decreto 1008/2023 trat dieses am 1. Januar 2024 in Kraft.
Das heißt, nach einem ganzen Jahr der Schwebe erst wurden detaillierte Regelungen, Maßnahmen und technische Vorschriften zu den Spezialregelungen für Beckham-Steuerpflichtige für die Finanzverwaltung mittels königlichem Dekret festgelegt.
Gerade auf homepages englischer Anbieter werden „flatrates“ von wenigen hundert Pfund zur Beantragung des „Beckham-Status“ angeboten. Eine Feststellung der Voraussetzungen im Einzelfall, Beratung und Antragstellung kann aus hiesiger Sicht zu diesen Bedingungen unmöglich erfolgen. Darüber hinaus kann die Haftung des Beraters gerade in Beckham-Fällen, in denen quasi eine Halbierung der Steuerlast für bis zu 6 Veranlagungszeiträume, sowie ggf. Vermögensteuer im Raum steht, ganz erheblich sein, was sich ebenso, alleine schon aus Versicherungsgründen, in angemessenen Gebühren widerspiegeln muss.
Eine nicht den Notwendigkeiten angepasste Beratung kann den Grund für die Aberkennung des Beckham-Status nach entsprechender Prüfung darstellen. Ebenso wie die Verordnung detailliert die Voraussetzungen der Antragstellung bestimmt, so ist gleichermaßen der Ausschluss aus dem System der Lex Beckham-Steuer geregelt.
„Artikel 118. Ausschluss aus dem Regime.
1. Steuerpflichtige, die sich für die Anwendung dieses besonderen Steuerregimes entschieden haben und nachträglich eine der maßgebenden Bedingungen für dessen Anwendung nicht erfüllen, werden von der Anwendung des Regimes ausgeschlossen. Der Ausschluss wird für den Steuerzeitraum wirksam, in dem der Verstoß erfolgt.
2. Steuerpflichtige, die aus dem Regime ausgeschlossen wurden, müssen diesen Umstand der Steuerverwaltung innerhalb eines Monats nach dem Verstoß gegen die Voraussetzungen der Anwendung mittels Mitteilungsformular auf das Artikel 119 dieses Reglements sich bezieht, kommunizieren.
3. Ab dem Zeitpunkt des Verstoßes des Steuerpflichtigen werden die Quellensteuer und Vorauszahlungen gemäß den allgemeinen Vorschriften der Einkommensteuer für natürliche Personen vorgenommen. Bei Einkünften aus Arbeit erfolgt die Anwendung hingegen ab dem Zeitpunkt, zu dem der Steuerpflichtige seinen Abzugsverpflichteten darüber informiert, dass er gegen diese Bedingungen verstoßen hat.
Insbesondere im Falle des Erhalts von Einkünften aus Arbeit, die nach dem allgemeinen Verfahren für die Berechnung des Steuersatzes der Quellensteuer besteuert werden, hat der Steuerpflichtige seinem Arbeitgeber die Mitteilung der in Artikel 88 dieses Reglements vorgesehenen Daten unter Beifügung einer Kopie der Mitteilung auf die sich der vorherige Absatz bezieht, zu kommunizieren, wobei der neue Steuersatz der Quellensteuer In Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Artikel 87 dieses Reglements unter Berücksichtigung der gesamten jährlichen Vergütung berechnet.
4. Steuerpflichtige auf die sich Artikel 93 Absatz 3 des Einkommensteuergesetzes bezieht, werden gemeinsam von der Anwendung dieses Regimes ausgeschlossen, wenn sie die in Artikel 93 Absatz 3 Buchstabe d) des Gesetzes festgelegte Bedingung nicht erfüllen oder wenn es zum Verzicht oder zum Ausschluss des Steuerpflichtigen auf das spezielle Regime gemäß Artikel 93 Absatz 1 des Gesetzes kommt.
Darüber hinaus wird, sofern einer der Steuerpflichtigen auf den sich dieser Absatz 3 bezieht, wenn er eine der weiteren in diesem Absatz festgelegten Bedingungen nicht erfüllt, die für die Anwendung des Regimes erforderlich sind, oder wenn die Anforderungen in Bezug auf Verbindung, Alter oder Behinderung nicht vorliegen, von der Anwendung des Regimes individuell ausgeschlossen, während die übrigen Steuerpflichtigen die Anwendung des Regimes fortsetzen können.
In beiden Fällen wird der Ausschluss für den Veranlagungszeitraum wirksam, in dem der Verstoß auftritt oder der Verzicht bzw. der vorgesehene Ausschluss des Steuerpflichtigen gemäß Artikel 93 Absatz 1 wirksam wird.
Die Anforderungen für die Anwendung des speziellen Regimes gelten nicht als verletzt, wenn die eheliche Verbindung aufgrund von Scheidung oder Ungültigkeit der Ehe aufgelöst wird.
In den Fällen von Verstößen müssen die aus dem Regime ausgeschlossenen Steuerpflichtigen diesen Umstand innerhalb der in Absatz 2 genannten Frist und gemäß den dort festgelegten Bedingungen der Steuerverwaltung mitteilen. Unbeschadet dessen, dass der Steuerpflichtige auf den sich Artikel 93 Absatz 1 des Gesetzes bezieht, die Steuerverwaltung bereits über den Verzicht oder Ausschluss informiert hat, ist es für die in Artikel 93 Absatz 3 vorgesehenen Steuerpflichtigen nicht erforderlich ihren Ausschluss der Steuerbehörde zu melden.
……….“
Die Beratung im Rahmen der „Lex Beckham-Steuer“ ist in wenigen Fällen einfacher Art und sollte neben der Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen eine detaillierte Erläuterung der Voraussetzungen der Antragstellung, wie auch die Möglichkeit und die erheblichen Folgen eines Ausschlusses bei Verstößen, die aufgrund der Höhe der Steuerhinterziehung bis zu Straftatbeständen greifen können, umfassen.
©2024 Verfasser Lex Beckham-Steuer: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht