Reichensteuer Spanien
Gegenstand vieler Diskussionen und Veröffentlichungen in den vergangenen Jahren war die spanische Vermögensteuer. 1977 eingeführt, wurde sie unmittelbar vor der Wirtschaftskrise von 2008 wieder aufgehoben, um sie kurze Zeit später erneut aufleben zu lassen. Sie wird auf das Nettovermögen natürlicher Personen erhoben, das sich aus dem Wert des Vermögens des Steuerpflichtigen nach Abzug aller Verbindlichkeiten, d.h. Schulden, zum 31. Dezember eines jeden Jahres ergibt. Die Vermögensteuer ist zwar an sich eine staatliche Steuer, wird aber von den 17 Gebietsautonomien verwaltet, welche Steuerbefreiungen gewähren können. Dies hat in den vergangenen Jahren je nach Ansässigkeit des Steuerpflichtigen zu ganz erheblichen Verschiebungen bei den Steuerbelastungen auf nationaler Ebene geführt. Um dem Wettlauf der Vergünstigungen der Gebietsautonomien entgegenzutreten, soll nun mit zeitlich begrenztem Charakter neben der Vermögensteuer eine Steuer für hohe Einkommen und große Vermögen (im Weiteren Reichensteuer Spanien) eingeführt werden.
Ende September legte die Regierungskoalition ein entsprechendes Steuerpaket vor, mit dem die Steuern für hohe Einkommen, große Vermögen und Unternehmen erhöht und die Steuerlast für Steuerzahler mit geringem Einkommen gesenkt werden soll. Zu den vom spanischen Finanzministerium mittels sechsseitiger Presseerklärung der Regierung vom 29.09.2022 angekündigten Maßnahmen gehört eine neue Reichensteuer, die mit der bisherigen Vermögenssteuer kompatibel sein soll, sowie Änderungen der Körperschaftssteuer, der Einkommensteuer („Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas“-IRPF) und in geringem Ausmaß der Mehrwertsteuer. Mit diesen Maßnahmen sollen die Steuereinnahmen in den Jahren 2023 und 2024, für die das Paket geschnürt wurde, um mehr als 3 Milliarden Euro steigen.
Die in diesem Paket vorgesehenen Änderungen werden mit Ausnahme der neuen Reichensteuer unmittelbar in den Entwurf des Staatshaushalts („Presupuestos Generales del Estado“-PGE) aufgenommen, da die neue Steuer auf große Vermögen zunächst das parlamentarische Verfahren durchlaufen muss. Gleichzeitig setzt die Regierung auf die befristeten Abgaben für große Energieunternehmen und Banken, die über zwei Jahre hinweg weitere 7 Milliarden Steuereinnahmen einbringen sollen.
Die neue Reichensteuer soll zeitlich befristet sein und die Doppelbesteuerung mit der Vermögensteuer vermeiden und bei Steuerpflichtigen mit einem Nettovermögen von mehr als 3 Millionen Euro in der Bemessungsgrundlage fällig werden. Zwischen 3 und 5 Millionen soll der Steuersatz bei 1,7%, zwischen 5 und 10 Millionen bei 2,1% und über 10 Millionen bei 3,5% liegen. Insgesamt gibt es laut dem Ministerium 23.000 potenzielle Steuerzahler mit erwarteten Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro. Diese Maßnahme soll die Freibeträge welche manche Gebietsautonomien den dort Ansässigen gewähren, abschaffen.
Bei der Einkommenssteuer hat sich die Regierung auf mehrere Maßnahmen geeinigt, die sich an Steuerpflichtige mit hohem wie auch mit niedrigem Einkommen richten. Es wurde eine Steuererhöhung auf Kapitaleinkünfte über 200.000 Euro von 26% auf 27% beschlossen. Für Kapitalerträge über 300.000 Euro beträgt der neue Satz 28 %.
Eine weitere Maßnahme des Steuerpakets ist die Ermäßigung für Arbeitseinkommen im Rahmen der Einkommensteuer ( IRPF), eine Maßnahme, die nach Angaben des Finanzministeriums der Hälfte der spanischen Arbeitnehmer zugute kommen wird, da der mittlere Arbeitslohn bei 21.000 Euro liegt. So werden diejenigen, die weniger als 21.000 Euro pro Jahr verdienen, in den Jahren 2023 und 2024 insgesamt 1.881 Millionen Euro in dieser Steuerart sparen. Bislang galt die Ermäßigung für Einkommen unter 18.000 Euro.
Diese Steueränderung beinhaltet zum einen die Anhebung des steuerpflichtigen Mindesteinkommens von 14.000 auf 15.000 Euro, wodurch gewährleistet wird, dass diejenigen, die den Mindestlohn (der jetzt 14.000 Euro pro Jahr beträgt) verdienen, weiterhin von der Einkommensteuer befreit sind.
Ein Arbeitnehmer ohne Kinder, der 18.000 Euro im Jahr verdient, würde beispielsweise 746 Euro an Einkommensteuer sparen, ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern und einem Gehalt von 19.000 Euro in einer gemeinsamen Erklärung 331 Euro.
In der Einkommenssteuer ist für Selbstständige („autónomos“) außerdem eine zusätzliche Entlastung vorgesehen, wie auch eine Erhöhung der schwer zu rechtfertigenden abzugsfähigen Ausgaben um zwei Punkte auf 7 %.
Die Unternehmen betreffend, beabsichtigt die Regierung den nominalen Körperschaftssteuersatz für kleine Unternehmen um zwei Prozentpunkte von derzeit 25 % auf 23 % zu senken. Die Begünstigten sind etwa 407.300 kleine Unternehmen mit einem Umsatz von weniger als einer Million Euro. Andererseits schränkt die Regierung die Möglichkeit die Verluste von Tochtergesellschaften konsolidierter Konzerne auszugleichen, um 50 % ein, eine Maßnahme, die etwa 3.600 Großunternehmen beträfe. Die Auswirkungen sollen sich bis 2023 und 2024 auf fast 2,5 Milliarden an Steuereinnahmen belaufen.
Die Regierungskoalition hat die neue Reichensteuer Spanien mit dem Ziel konzipiert, dass sich ihr möglichst wenige Steuerpflichtige entziehen können. Es sollen aber nur Nettovermögen von mehr als drei Millionen Euro besteuert werden, da sich dort der größte Teil des potenziellen Steuervolumens von fast 73 % dessen, was in der Vermögensteuer eingenommen werden könne, befände und durch die Vergünstigungen mancher Gebietsautonomien an Steuervolumen verloren gehe.
Ausgangspunkt für die Festsetzung des Betrages von 3 Millionen Euro seitens der Regierung sind die Zahlen der Steuerpflichtigen 2019. Die Anzahl der Steuerpflichtigen, die vor drei Jahren mit einem Vermögen von weniger als drei Millionen Euro vermögensteuerpflichtig waren, beläuft sich auf 170.443, das sind 92,8 % aller Betroffenen. Die damit verbundenen Einnahmen beliefen sich jedoch auf etwas mehr als 530 Millionen, was 43 % des Gesamtbetrags entspricht. Die verbleibenden 57 % (etwa 690 Millionen) wurden von etwa 13.000, also nur 7 % der Steuerzahler, bezahlt. Die Grenze der drei Millionen, wiederum mit den Daten von 2019, findet sich ebenso in der Gruppe der Steuerzahler, die in den Genuss der Vergünstigungen der Gebietsautonomien kämen: 92 % der Einnahmen, die infolgedessen verloren gingen (945 von 1.021 Millionen), entsprächen diesem Profil der nach der Regierung „Sehr Reichen“. D.h., die Vermögen mit mehr als drei Millionen, unabhängig davon, ob sie in 2019 Vermögensteuer gezahlt haben oder nicht, machten zusammen 72,9 % des Steuereinnahmepotenzials aus.
Fazit Reichensteuer Spanien:
Die Ankündigung der neuen Reichensteuer Spanien ist die Reaktion der Regierung auf die geplante Einführung der Regionalregierungen Andalusiens und Galiziens, die dem Beispiel Madrids folgend, erhebliche Vergünstigungen in der Vermögensteuer zu gewähren beabsichtigen. Diese zu neutralisieren ist die Absicht, da sie in den autonomen Regionen, die keine Vergünstigungen geben, zu 100 % abzugsfähig sein wird, was auch die Doppelbesteuerung durch Reichensteuer und Vermögensteuer vermeiden soll.
Unbeschadet dessen blieben bei dieser Maßnahme unberücksichtigt Vermögende die in Gebietsautonomien mit Freibeträgen gemeldet sind und über ein Vermögen von weniger als drei Millionen Euro verfügen. Deren Zahl wird auf knapp 5 % der steuerpflichtigen Vermögenden geschätzt.
Schließlich bleibt ebenso abzuwarten, ob diese Maßnahme tatsächlich nur vorübergehenden Charakter hat. Denn auch die Vermögensteuer wurde seinerzeit durch Königliches Dekret vom 16.9.2011 zur Krisenbewältigung zunächst für die Jahre 2011 und 2012 wieder eingeführt und schließlich „aus wirtschaftlichen Gründen“ auf die Folgejahre ausgeweitet.
©2022 Verfasser Reichensteuer Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht