Kanzlei Frank Dieter Müller & Asociados

Coronavirus Spanien

Corona Virus Spanien

I. Arbeitsrecht
Der vorliegende Beitrag – Coronavirus Spanien Arbeitsrecht – hat eine kurze Zusammenfassung der erforderlichen Maßnahmen sowie Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers in dieser Krisensituation zum Zweck.

Coronavirus Spanien – Pflichten des Arbeitgebers

Das Gesetz zur Vorkehrung von Arbeitsrisiken (Ley de Prevención de Riesgos Laborales (LPRL)) verpflichtet zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer.
Dies beinhaltet eine Informationspflicht bzgl. präventiver Maßnahmen sowie eine Organisationspflicht um im Falle imminenter und unvermeidlicher, schwerer Gefahren, ggf. sogar die geschäftliche Aktivität einzustellen, mit der Folge eines unverzüglichen Verlassens der Arbeitsstelle (Art. 21 LPRL).

Zunächst haben die Unternehmen in jedem Falle aber diejenigen präventiven Maßnahmen kollektiver oder individueller Art zu ergreifen, welche ggf. nach entsprechender Risikoabwägung und im Hinblick auf die Geschäftstätigkeit als indiziert erscheinen, wie z.B.:

  1. Verminderung der Anzahl der einem möglichen Risiko ausgesetzten Arbeitnehmer, Festlegung von Regeln zur Vermeidung der Häufigkeit und der Art des Kontakts zwischen Personen (ggf. vorübergehende Aufteilung und Verteilung der Arbeitszeiten und –stellen, etc.)
  2. Maßnahmen zum Schutz von besonders gefahrenausgesetzter oder gefährdeter Personen
  3. Bereitstellung von Informationen bzgl. hygienischer Maßnahmen (Händewaschen, Reinigen von Oberflächen und Materialien, Be-/ Lüftung, etc.).

Entsprechend haben die Unternehmen den Mitarbeitern Reinigungs- und Desinfektionsmaterial und Protokolle zur Anwendung bereitzustellen.

Coronavirus Spanien – Pflichten des Arbeitnehmers

Eine Pflichtverweigerung, mithin eine Arbeitsniederlegung seitens des Arbeitnehmers, sei es auf eigene Veranlassung oder mehrheitlich durch die Belegschaft bzw. der Arbeitnehmervertretung, bzw. des Vertreters für präventiven Schutz, ist nach spanischem Arbeitsrecht nur in Fällen erlaubt, in denen eine Arbeitsverrichtung an der Arbeitsstelle ein schweres und imminentes Risiko des Ansteckens in sich trägt.
Die Interpretation dieses Risikobegriffs hat restriktiv zu erfolgen. Eine bloße subjektive oder kollektive Annahme eines Risikos ist nicht ausreichend. Vielmehr ist eine objektive Bewertung zur Bestimmung des erhöhten Ansteckungsrisikos notwendig.

Coronavirus Spanien – behördlich ausgesprochene Quarantäne

In Übereinstimmung mit den veröffentlichten Kriterien der Generaldirektion der spanischen Sozialversicherung (Criterio 2/2020 de la Dirección General de Ordenación de la Seguridad Social), werden die Zeiten in denen der Arbeitnehmer als Folge des Coronavirus zu isolieren ist, als vorübergehende Arbeitsunfähigkeit aufgrund gemeiner Krankheit (incapacidad temporal derivada de enfermedad común) eingestuft.
Unbeschadet dessen und in Übereinstimmung mit dem am 11.03.2020 im Staatsanzeiger veröffentlichten königlichen Gesetzesdekret vom 10.03.2020 (R.D.L. 6/2020 de 10 de marzo (BOE 11/03/2020)), wird diese Arbeitsunfähigkeit ausnahmsweise der eines Arbeitsunfalls gleichgestellt, um für den Zeitraum der Quarantäne Leistungen der Sozialversicherung zu ermöglichen, welche bereits schon am Folgetag der Krankschreibung eintreten und 75 % des Basisbetrages zulasten der Sozialversicherungsbehörde gewähren.

Coranavirus Spanien – organisatorische Maßnahmen des Arbeitgebers

In Fällen, in denen nicht bereits der einzelne Arbeitsvertrag die Möglichkeit der Tätigkeit vom Home-Office aus vorsieht, kann diese in Übereinstimmung mit dem spanischen Arbeitsgesetz (Estatuto de los Trabajadores (ET)) kollektiv wie auch im Einzelfall seitens des Arbeitgebers als Ausnahmemaßnahme angeordnet werden, um die Tätigkeiten die trotz Vornahme oben beschriebener Maßnahmen vom regulären Arbeitsplatz aus nicht geleistet werden können, zu erbringen.
Dies ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:

  1. Festlegung als vorübergehende Ausnahmemaßnahme
  2. Anwendung in Übereinstimmung mit der Arbeitsgesetzgebung und den Tarifverträgen
  3. Keine Einschränkung der Arbeitnehmerrechte
  4. Keine Kosten für den Arbeitnehmer

In jedem Fall gilt auch hier die gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation der Arbeitszeiten.

Coronavirus Spanien – Aufhebung von Arbeitsverträgen, Reduktion von Arbeitszeiten, Einstellung der Geschäfte des Arbeitgebers

Im Falle, dass aufgrund behördlicher Entscheidung unmittelbar oder mittelbar aufgrund der Folgen des Coronavirus das Unternehmen sich gezwungen sieht, die geschäftlichen Aktivitäten umfassend oder teilweise einzustellen, bestehen Mechanismen, um eine Arbeitsbeziehung aufzuheben oder aber die Arbeitszeiten zu reduzieren (Kurzarbeit). Dies erfolgt durch so genannte “Expedientes de regulación de empleo (ERE)” bzw. „Expediente de regulación temporal de empleo (ERTE)” , bei Maßnahmen vorübergehender Dauer. Die Einreichung entsprechender Anträge erfordert u.a. die Mitwirkung der Arbeitnehmervertretungen, welche, sofern nicht existent, zu diesem Zweck ad hoc zu gründen sind, um dann Kurzarbeit mittels des entsprechenden Verfahrens einleiten zu können.

Die Gründe zur Kurzarbeit in Spanien können organisatorischer, produktiver, technischer oder wirtschaftlicher Art sein, so zB. aufgrund Fehlens von Arbeitsmitteln aufgrund von Lieferengpässen, Rückgang der Nachfrage des Marktes oder die Unmöglichkeit des Erbringens geschuldeter Dienstleistungen.

In Fällen in denen ein Not- oder Katastrophenfall zum Schutz der Bürger in einer bestimmten Zone ausgerufen wird, können Vertragsaufhebungen bzw. – unterbrechungen oder Kurzarbeit, welche unmittelbare Folge des Notfalls sind, sowie der entsprechende Verlust der Geschäftsaktivität als höhere Gewalt mit den entsprechenden gesetzlichen Folgen angesehen werden.

Die Sozialversicherungsbehörde (Tesorería General de la Seguridad Social (TGSS)) kann den Arbeitgeber von der Pflicht zur Begleichung der Arbeitgeberbeiträge für den Zeitraum der Unterbrechung befreien.

Coranavirus Spanien – ERTE aus Gründen höherer Gewalt

Ein solches Verfahren kann unter der Voraussetzung beantragt werden, dass gesundheitliche Gründe zwingen, die geschäftlichen Aktivitäten eines Unternehmens zu unterbrechen.

Dies kann die Folge sein von

  • personellen Ausfällen, welche die geschäftliche Kontinuität beeinträchtigen,
  • Maßnahmen der Isolierung,
  • Einstellung der geschäftlichen Tätigkeit aufgrund gesundheitsbehördlicher Anordnung, der Arbeitsinspektion oder auch der Arbeitnehmervertreter.

Während die so genannten EREs regelmäßig aufgrund von wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktiven Gründen beantragt werden können, bedarf es bei ERE-Verfahren aufgrund höherer Gewalt einer behördlichen Entscheidung, welche das Vorliegen dieser höheren Gewalt feststellt.

Das Verfahren erfolgt auf Antrag des betroffenen Unternehmens, mit welchem dieses die erforderlichen Nachweise des Vorliegens des dargelegten Grundes beibringt.

Gleichzeitig hat das Unternehmen die Arbeitnehmervertreter von dem gestellten Antrag zu informieren.

Nach Antragstellung hat die Behörde den Bericht der Arbeitsinspektion der Sozialversicherung einzuholen, zu dessen Zweck weitere Handlungen oder Berichte eingefordert werden können.

Die zuständige Behörde hat sodann binnen 5 Tagen nach Antragstellung auf Unterbrechung der Geschäftstätigkeit oder Verringerung der Arbeitszeiten zu entscheiden, wobei sie sich auf die Feststellung des Vorliegens oder Fehlens der vorgetragenen höheren Gewalt beschränkt.

Die stattgebende Entscheidung erlaubt es dem Unternehmen die Arbeitsbeziehung mit Wirkung ab dem Datum der festgestellten höheren Gewalt zu unterbrechen oder die Arbeitszeiten zu reduzieren.

Nach Erhalt des Bescheides hat das Unternehmen die Arbeitnehmervertretung und die Arbeitsbehörden von ihrer Entscheidung zu informieren.

Im Falle, dass der Bescheid kein Vorliegen höherer Gewalt feststellt, kann das Unternehmen das ERTE-Verfahren aus wirtschaftlichen, produktiven, technischen oder organisatorischen Gründen beantragen.

Vom Vorliegen höherer Gewalt ist in den Fällen auszugehen, in denen das Schließen des Unternehmens behördlich angeordnet wurde, so wie im Falle der Anordnung der Schließung von Cafés, Restaurants, Friseur- oder Bekleidungsgeschäften etc..

Mithin kommt in Fällen, in denen eine solche behördliche Anordnung nicht vorliegt, regelmäßig ein Antrag aus produktiven Gründen in Betracht.   

Das Kurzarbeitsgeld wird auf das Datum der Beantragung, gegebenenfalls auch rückwirkend bewilligt, soweit es sich um Anträge aus og. wirtschaftlichen, technischen, organisatorischen oder produktionsbedingten Gründen handelt, wenn diese mit der Krise zusammenhängen.

Aufgrund der zu erwartenden Schwemme der auf die Verwaltung zukommenden Anträge fordert diese ein hohes Maß an Vorbereitung der Dokumentation ein. Infolge der gleichzeitig fehlenden personellen Mittel zur Prüfung der Anträge, sieht die zweite Zusatzbestimmung des Gesetzes Strafen für solche Unternehmen vor, die unrichtige oder falsche Daten liefern und Unternehmen die beschäftigungsbezogene Mittel beantragen, die mit den gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen des Coronavirus nicht in ausreichendem Maß in Zusammenhang stehen oder nicht notwendig sind. Dies ermächtigt die Behörden eine nachträgliche Kontrolle vorzunehmen und gegebenenfalls gewährte Erleichterungen zurück zu fordern und Sanktionen auszusprechen.

Coranavirus Spanien – Ansprüche des Arbeitnehmers

In Fällen der Durchführung eines ERTE-Verfahrens kann der Arbeitnehmer Antrag auf Arbeitslosenhilfe unter folgenden Voraussetzungen stellen:

  • Der Arbeitnehmer muss in den letzten 6 Jahren mindestens 360 Tage Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet haben. Anderenfalls bestehen Ansprüche nur, sofern der Arbeitnehmer keine Einkünfte hat, die über 75 % des gesetzlich festgelegten, durchschnittlichen Mindestgehalts, ausgenommen der proportionale Anteil von 2 Sondergehältern, liegen.
  • Im Falle des Antrags auf Verringerung der Arbeitszeiten muss eine solche zwischen 10 und 70 % der vertraglichen Arbeitszeit liegen und zu einer Verringerung der Bezüge führen.
  • Zur Vermeidung der Anfechtung der Maßnahme durch die Arbeitsbehörden ist das im Arbeitsgesetz bestimmte Verfahren durchzuführen

Aufgrund der besonderen Situation des Coronavirus gelten Ausnahmen von den vor genannten Mindestbeitragszeiten.

Die Höhe der Leistungen hängen von verschiedenen Faktoren ab.
In ERTE-Fällen, in denen höhere Gewalt gemäß obigen Ausführungen vorliegt, bestimmt das aufgrund der Coronaviruskrise ergangene königliche Dekret, dass Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern von den Sozialversicherungsbeiträgen befreit werden und Arbeitnehmer 70 % (50 % ab dem 7. Monat) des Durchschnitts der letzten 180 Tage zur Berechnung seiner Sozialversicherungsbeiträge verwendeten Gehaltsbetrages als Arbeitslosengeld erhalten, welches allerdings bei Arbeitnehmern ohne Kinder auf 1.090 Euro, mit Kind auf 1.200,- € beschränkt ist.
Dem Arbeitgeber steht es frei, diese Beträge ggf. aufzustocken.

Im Falle, dass kein Antrag aufgrund höhere Gewalt vorliegt, sondern aus produktiven oder anderen o.a. Gründen, hat hingegen das Unternehmen weiter die Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, während Arbeitnehmern die gleichen Ansprüche zustehen, wie im Falle höherer Gewalt.

ERTE-Anträge in Folge höherer Gewalt haben bis auf Weiteres derzeit eine Wirksamkeit von 30 Tagen.

©2020 Verfasser Coronavirus Spanien – Arbeitsrecht: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Handels- u. Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht

16. März 2020 von Frank Dieter Müller
Kategorien: Aktuelles aus Spanien, Arbeitsrecht Spanien, Berichte aus Spanien u. EU | Schlagwörter: | Kommentare deaktiviert für Coronavirus Spanien