Crea y Crece-Gesetz
Der am 27. Juli 2021 vom Ministerium für Wirtschaft und digitale Transformation (Ministerio de Asuntos Económicos y Transformación Digital) vorgestellte Entwurf des Gesetzes „Crea y Crece“ (Anteproyecto de Ley de fomento del ecosistema de las empresas emergentes en España) – ist nun am 29. September 2022 im BOE (Staatsanzeiger) als Gesetz veröffentlicht worden.
Das neue Gesetz tritt 20 Tage nach seiner Veröffentlichung im BOE in Kraft, mit Ausnahme von Kapitel V, der am 10. November 2022 in Kraft tritt.
Ziele dieses Gesetzes sind gemäß Artikel 1 der Vorschrift „die Gründung von Unternehmen zu beschleunigen, die Regulierung der Entwicklung von Wirtschaftstätigkeiten zu verbessern, die Zahlungsausfälle im Handel zu verringern und den Zugang zur Finanzierung zu erleichtern“ (Artikel 1. Gegenstand, Crea y Crece-Gesetz).
1. Maßnahmen zur Beschleunigung von Unternehmensgründungen
Wie in der Begründung im Crea y Crece-Gesetz dargelegt, besteht das Ziel zum einen darin, die Gründung von Unternehmen durch Senkung der Errichtungskosten zu fördern und zum anderen den Gründungsgesellschaftern die volle Freiheit zu gewähren, über die Höhe des Stammkapitals, die sie entsprechend ihren Präferenzen und Bedürfnissen für optimal erachten, selbst zu befinden.
– Das Gesetz über Kapitalgesellschaften wird dahingehend geändert, dass das Mindestkapital für die Gründung von Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf 1 Euro festgelegt wird, wodurch das Erfordernis eines Mindeststammkapitals von 3.000 Euro abgeschafft wird.
Damit entfällt die Möglichkeit sich für die sukzessive Gründung (régimen de formación sucesiva) zu entscheiden, da diese die Gründung einer GmbH mit einem Stammkapital von weniger als dem gesetzlichen Mindestbetrag von 3.000 Euro vorsieht. Es wurde eine Bestimmung aufgenommen, die angibt, wie Unternehmen, die dieser Regelung unterliegen, ohne Nachteile für Dritte vorgehen können.
Titel XII des Gesetzes über Kapitalgesellschaften, der sich auf die neue Gesellschaft mit beschränkter Haftung (Sociedad limitada nueva empresa) bezieht, wird demgemäß aufgehoben, wodurch diese Art von Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgeschafft wird. Die Anwendung des Einheitlichen Elektronischen Dokuments („Documento Único Electrónico“ oder „DUE“) auf gewöhnliche Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die in der dritten Zusatzbestimmung des Kapitalgesellschaftsgesetzes geregelt ist, macht diese nun überflüssig.
– Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von weniger als 3.000 EUR wurden zwei besondere Gläubigerschutzvorschriften eingeführt:
Mindestens 20 % des Gewinns müssen der gesetzlichen Rücklage zugeführt werden, bis die Summe aus gesetzlicher Rücklage und Grundkapital 3.000 EUR erreicht.
Im Falle der Liquidation und sofern das Gesellschaftsvermögen nicht zur Erfüllung der Verbindlichkeiten ausreicht, haften die Gesellschafter gesamtschuldnerisch für die Differenz zwischen dem Betrag von 3.000 Euro und dem Betrag des gezeichneten Kapitals.
– Die Nutzung des telematischen Bearbeitungssystems „Centro de Información y Red de Creación de Empresas“ (CIRCE) und des „Documento Único Electrónico“ (DUE) (Einheitliches Elektronisches Dokument) wird gefördert.
Die „ventanilla única“ soll „aus einer Hand“ ermöglichen, ein Unternehmen vollständig über das Informationszentrum und das Netz für Unternehmensgründung zu gründen. CIRCE soll auch dazu dienen, andere Verfahren im Zusammenhang mit der Aufnahme der Tätigkeit des Unternehmens durchzuführen. Auf diese Weise sollen Anmeldezeiten und -kosten verkürzt werden.
– Es werden gemeinnützige Gesellschaften und Unternehmen im Allgemeininteresse anerkannt (Sociedades de Beneficio e Interés Común (SBIC)), d.h. Kapitalgesellschaften die sich freiwillig dazu entschließen,
-in ihrer Satzung die Verpflichtung zur ausdrücklichen Erzeugung einer positiven sozialen und ökologischen Wirkung festzulegen und
-sich bei der Umsetzung ihrer sozialen und ökologischen Ziele einem höheren Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht unterwerfen, sowie
-die relevanten Interessengruppen bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen.
Die Kriterien und die Methodik für die Validierung dieser Art von Unternehmen werden im Rahmen der Entwicklung von Rechtsvorschriften festgelegt.
2. Änderungen im Bereich der BGB-Gesellschaften durch das Crea y Crece-Gesetz
Es wird festgelegt, dass Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, die aufgrund ihres Zwecks keine Handelsform haben, nach den allgemeinen Regeln des Handelsregisters dort eingetragen werden können. In diesem Fall müssen die folgenden Umstände im ersten Eintrag angegeben werden:
die Identität der Gesellschafter
den Namen der Gesellschaft, der den Ausdruck „Sociedad Civil“ enthalten muss
der Gegenstand des Unternehmens
das System der Geschäftsführung
die Dauer der Gesellschaft
alle sonstigen rechtmäßigen Vereinbarungen, die ggf. getroffen werden.
Auf der Registerseite der Gesellschaft können eingetragen werden: die Ernennung, die Beendigung und der Rücktritt von Geschäftsführern, Generalvollmachten, ihre Änderung, ihr Erlöschen oder ihr Widerruf, die Aufnahme neuer Gesellschafter sowie die Trennung oder der Ausschluss bestehender Gesellschafter, die Übertragung von Anteilen zwischen Gesellschaftern sowie Gerichts- oder Verwaltungsentscheidungen, die das Geschäftsführungssystem der Gesellschaft betreffen.
Die Eintragung in das Handelsregister ist nur möglich, wenn die in Spezialgesetzen festgelegten gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, die den Vorschriften des Handelsregisters vorgehen.
Spanische BGB-Gesellschaften verfügen bislang grds. über keine Rechtspersönlichkeit, sofern die Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern im Rechtsverkehr intern bleiben. In Übereinstimmung mit Artikel 1669 des CC kann ansonsten aber Rechtspersönlichkeit vorliegen. Und dies gilt unabhängig ihrer Eintragung in ein öffentliches Register. Eine solche Eintragung, die schließlich schon für die SLP existiert, kann einer Reihe von Zwecken dienen, so zB dem Drittschutz im Rechtsverkehr, aber ebenso auch der Gesellschaft selbst. Und der Staat hat hieran auch ein Interesse, denn auf diese Weise können Steuervermeidungsstrategien der Gesellschafter besser vermieden werden.
3. Verbesserung der Finanzierungskanäle zur Förderung des Unternehmenswachstums
Ziel ist es, alternative Finanzierungsmechanismen wie Crowdfunding, kollektive Investitionen und Risikokapital flexibler zu gestalten:
– Es wird eine neue rechtliche Regelung für partizipative Finanzierungsplattformen oder „Crowdfunding-Plattformen“ geschaffen. Die spanische Gesetzgebung wird an das auf europäischer Ebene festgelegte Rechtssystem angepasst, so dass die in Spanien zugelassenen Plattformen ihre Dienste auch in der gesamten Europäischen Union anbieten können.
– Eingeführt werden eine Reihe von Reformen, um kollektive Investitionen und Risikokapital in Spanien zu fördern und zu verbessern.
4. Maßnahmen zur Verbesserung der Regulierung und zur Beseitigung von Hindernissen für wirtschaftliche Aktivitäten
In diesem Bereich werden Änderungen an den folgenden Gesetzen vorgenommen:
– Gesetz 20/2013 vom 9. Dezember über die Gewährleistung der Einheit des Marktes.
Zu diesen Änderungen gehören: eine Verstärkung der Zeitfenster, in denen die Marktteilnehmer Beschwerden einreichen können, eine größere Legitimität für jeden Bürger, Beschwerden einlegen zu können, ohne Betroffener zu sein, und eine Verstärkung der Kooperationsmechanismen zwischen den Verwaltungen. Außerdem wird eine Beobachtungsstelle für „gute Regulierungspraktiken“ eingerichtet.
– Gesetz über die streitige Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bezug auf den verwaltungsrechtliche Rechtsbehelf, welche die „Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia“ (CNMC) gegen jede allgemeine Bestimmung oder Maßnahme einer zuständigen Behörde einlegen kann, die als Verstoß gegen die Niederlassungs- oder Freizügigkeitsfreiheit angesehen werden kann.
– Gesetz 12/2012 vom 26. Dezember über Dringlichkeitsmaßnahmen zur Liberalisierung des Handels und bestimmter Dienstleistungen, mit dem die Liste der Tätigkeiten erweitert wird, die von der Genehmigungspflicht ausgenommen sind.
5. Kampf gegen Zahlungsverzug Crea y Crece-Gesetz
Um dieses Problem zu verbessern, wurden die folgenden Maßnahmen festgelegt:
– Förderung der Transparenz in Bezug auf die Zahlungsfristen bei Handelsgeschäften, wofür eine staatliche Beobachtungsstelle für private Zahlungsrückstände („Observatorio Estatal de la Morosidad Privada“) eingerichtet wird.
– Ausweitung der Verpflichtung zur Ausstellung und Übermittlung elektronischer Rechnungen auf alle Unternehmer und Freiberufler (s.u. 6.).
– Einbeziehung von Anreizen für die Einhaltung von Zahlungsfristen.
– Einführung der Verpflichtung für Handelsunternehmen, in ihrem Jahresabschluss die durchschnittliche Zahlungsfrist für ihre Lieferanten oder die Anzahl der Rechnungen anzugeben, die in einem Zeitraum bezahlt wurden, der kürzer ist als der in den Verordnungen über Zahlungsverzug festgelegte Höchstbetrag.
Zu den Maßnahmen gehört auch die Veröffentlichung einer jährlichen Liste säumiger Unternehmen (juristische Personen, die mehr als 5 % ihrer Rechnungen nicht fristgerecht begleichen und deren unbezahlte Rechnungen insgesamt mehr als 600.000 Euro betragen).
6. Verpflichtung zur Ausstellung und Übermittlung von elektronischen Rechnungen
Bisher war die elektronische Rechnungsstellung in Spanien nur für Unternehmen und Freiberufler, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit (Staat, Autonome Regionen, Gemeinden, etc.) erbringen und in den folgenden Wirtschaftszweigen tätig sind, im Verkehr mit Privatpersonen verpflichtend, und zwar sowohl dann, wenn die Privatperson dem Erhalt elektronischer Rechnungen zustimmte, als auch dann, wenn sie dies ausdrücklich verlangte:
a. Elektronische Kommunikationsdienste für Verbraucher.
b. Finanzdienstleistungen für Verbraucher (einschließlich Bank-, Kredit- oder Zahlungsdienstleistungen, Wertpapierdienstleistungen, private Versicherungsgeschäfte, Altersversorgungssysteme und Versicherungsvermittlung).
c. Dienstleistungen zur Versorgung mit Wasser, Gas oder Elektrizität für Endverbraucher.
Bei Reisebüros, Beförderungsdiensten und im Einzelhandel war die elektronische Rechnungsstellung an Privatpersonen nur dann verpflichtend, wenn der Vertrag auf elektronischem Wege geschlossen wurde.
Die Neuheit des Gesetzes 18/2022 besteht nun darin, dass es diese Verpflichtung auf Handelsgeschäfte zwischen Unternehmern und Freiberuflern ausweitet. Die Verpflichtung gilt für alle ihre Transaktionen, unabhängig davon, in welchem Bereich die Rechnungsaussteller ihre Tätigkeit ausüben.
Die elektronische Rechnung wird in Spanien verpflichtend eingeführt, wodurch das Gesetz 56/2007 vom 28. Dezember 2007 in Artikel 12 dieses neuen Gesetzes geändert wird, in dem die folgenden Verpflichtungen festgelegt sind:
– Alle Unternehmen und Selbstständigen müssen in ihren Geschäftsbeziehungen elektronische Rechnungen ausstellen und versenden.
– Unternehmen und Selbstständige müssen die notwendige Software zur Verfügung stellen, damit die Rechnungsempfänger Rechnungen kostenlos lesen, kopieren, herunterladen und ausdrucken können. Es muss möglich sein, die Rechnungen der letzten 4 Jahre auf elektronischem Wege einzusehen.
– Der Rechnungsempfänger darf den Rechnungsaussteller nicht verpflichten, eine bestimmte E-Invoicing-Lösung, Plattform oder einen bestimmten Dienstleister zu verwenden.
Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 10.000 Euro geahndet werden kann.
Was das Inkrafttreten betrifft, so wird die Regelung für Unternehmer und Freiberufler, deren Jahresumsatz acht Millionen Euro übersteigt, ein Jahr nach Verabschiedung der Verordnung in Kraft treten. Für die übrigen Unternehmer und Freiberufler tritt sie nach 2 Jahren, mithin grds. zum Jahresende 2024 in Kraft.
Das Inkrafttreten dieses Artikels 12 hängt jedoch davon ab, dass die Europäische Gemeinschaft eine Ausnahmeregelung zu den Artikeln 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem erteilt, sodass der genaue Moment, ab wann die Unternehmen elektronische Rechnungen ausstellen müssen, derzeit noch nicht feststeht.
Die Einführung der elektronischen Rechnungsstellung bedeutet für Unternehmen und Freiberufler einen erheblichen technologischen Wandel. Die Einzelheiten sind noch nicht geregelt, aber sobald diese Verordnung verabschiedet ist, müssen alle Unternehmen und Freiberufler mit der technischen Anpassung beginnen oder dritte Dienstleister mit der Ausstellung von Rechnungen beauftragen.
Zur Erleichterung des Übergangs können sowohl Unternehmen als auch Selbstständige Finanzhilfen des Hilfspakets „Digital Kit“ aus dem „Plan de Recuperación, Transformación y Resiliencia“ in Anspruch nehmen.
Fazit Crea y Crece-Gesetz:
Das Gesetz Crea y Crece, also „schaffe und wachse“, soll die Verfahren und Anforderungen für die Gründung von Unternehmen und die Finanzierung von Unternehmen vereinfachen und sich dabei auf vorteilhafte steuerliche Maßnahmen für Unternehmer und Investoren stützen.
Bereits seit der Finanzkrise wurden in Spanien eine ganze Reihe von Maßnahmen im steuerlichen Bereich aber auch im Rahmen der Vereinfachung der Gründung von Unternehmen und deren Unterstützung beschlossen, deren Erfolg häufig insbesondere an der Administration scheiterte. So fand bspw. die im Kapitalgesellschaftsgesetz von 2010 geregelte und nun wieder abgeschaffte „Sociedad limitada nueva empresa“ keinerlei Zuspruch.
CIRCE und DUE sollen Gründungen schnell, agil und telematisch verkürzen und vereinfachen. Für ausländische Beteiligte kann dies kaum zum Tragen kommen, denn nach wie vor ist geregelt, dass Dokumente die in einer Fremdsprache abgefasst sind, durch einen vereidigten Übersetzer zu übersetzen sind und ausländische öffentliche Urkunden mit der entsprechenden Apostille oder diplomatischen Beglaubigung versehen sein müssen, sofern sie nicht durch Gesetz oder internationale Abkommen davon ausgenommen sind.
Es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zur effektiven Förderung neu gegründeter Unternehmen kommt und insbesondere auch auf administrativer Seite Hindernisse für junge Unternehmer beseitigt werden können.
Die Einführung der elektronischen Rechnung ist eine einschneidende Neuerung, denn hier geht es nicht um das elektronische Versenden eines herkömmlichen Dokuments im pdf-Format, sondern um originär auf elektronische Weise erstellte, versendete, empfangene und verarbeitete Dateiformate, die von Mensch und Maschine gelesen werden können. Damit sind die Zeiten des manuellen Erstellens und Versenden und des Ordnens, Vorkontierens sowie Abheftens usw. endgültig vorbei. Es kommt zu Zeit- und Platzersparnis einerseits und zu einfachen und umfassenden Kontrollmöglichkeiten andererseits. Zunächst bleiben die Bestimmungen der Durchführungsverordnung abzuwarten.
©2022 Verfasser Crea y Crece-Gesetz: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht