Spanien Auslandsvermögen – EuGH Urteil
Mit Urteil vom 27.1.2022 stellt der Europäische Gerichtshof die Unverhältnismäßigkeit der Sanktionen im Rahmen der Verpflichtung der Erklärung von im Ausland belegenen Vermögensgegenständen oder Rechten in Spanien fest und qualifiziert diese als europarechtswidrige Beschränkung des freien Kapitalverkehrs. Der vorliegende Artikel „Spanien Auslandsvermögen EuGH Urteil“ fasst die Rechtslage in Spanien und die Begründung des Europäischen Gerichtshofs zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sanktionen im Zusammenhang mit der Erklärung von Auslandsvermögen zusammen.
Seit dem Jahr 2013 sind in Spanien unbeschränkt Steuerpflichtige verpflichtet, ihr nicht dort belegenes, mithin Auslandsvermögen in einer gesonderten Steuererklärung (Formular 720 – modelo 720- Erklärung Spanien Auslandsvermögen) anzugeben. Fristablauf ist der 31.03. eines jeden Jahres für das jeweilige Vorjahr.
Mithilfe der Erklärung im Formular 720 bezwecken die spanischen Finanzbehörden Information darüber zu erhalten, ob und bejahendenfalls welcher Art das Vermögen im Ausland ist, um auf diese Weise über die rein informatorische Erklärung Rückschlüsse über Auslandseinkünfte ihrer Steuerpflichtigen zu erhalten. Erstmalig ist die Erklärung abzugeben, sofern einer der Vermögensbestandteile in einem Jahr den Wert von 50.000 € übersteigt. Bei Unterlassen der Erklärung drohten erhebliche Strafen.
Dem war ein Gesetzesentwurf des spanischen Ministerrats zum Kampf gegen den Steuerbetrug, konkret, „Vorprojekt eines Gesetzes zur Änderung der Gesetzgebung in Steuer und Haushaltsangelegenheiten und der Anpassung der Steuernormen zur Stärkung der Handlungen der Vorbeugung und Kampf gegen Betrug“ mit Datum vom 13.04.2012 vorangegangen.
Die entsprechenden Maßnahmen, verabschiedet mit dem Gesetz “Ley 7/2012, de 29 de octubre, de modificación de la normativa tributaria y presupuestaria y de adecuación de la normativa financiera para la intensificación de las actuaciones en la prevención y lucha contra el fraude” und veröffentlicht im spanischen Staatsanzeiger (Boletin Oficial de Estado), sind am 19.11.2012 in Kraft getreten.
Einer der Inhalte dieses Entwurfs war die Information über Auslandsvermögen oder –einkünfte, mithin die Einführung einer Neuerung im Rahmen der spanischen Abgabenordnung (Ley General Tributaria), welche in Spanien unbeschränkt Steuerpflichtige verpflichten sollte, über im Ausland gelegene Vermögen und Konten, Begünstigungen aus Lebensversicherungen, o.ä. zu informieren. Wesentlich dabei war, dass eine Änderung des Art. 39 Abs 2 des Einkommensteuergesetzes (Ley del Impuesto sobre la Renta de las Personas Fisicas) der Steuerverwaltung den Weg eröffnete, bei Feststellung rechtswidrig nicht erfolgter Steuererklärungen über Vermögenswerte oder im Ausland gelegener Vermögensrechte oder Erträge, rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Verjährung von deren Vorliegen auszugehen und die entsprechenden Steuern sowie ganz erhebliche Sanktionen und Zinsen festzusetzen.
Die Verordnung HAP/72/2013 vom 31.01.2013 war mit Veröffentlichung im spanischen Staatsanzeiger (BOE) verabschiedet und damit das Steuerformular 720 zur Erklärung von im Ausland belegenen Gütern und Rechten publiziert worden. Die entsprechende Verpflichtung zur Abgabe dieser Erklärung ergibt sich, nach vorheriger Änderung des königlichen Dekrets 1065/2007, aus den Bestimmungen des königlichem Dekrets 1558/2012 vom 15.11. (Erklärung 720 Spanien Auslandsvermögen).
Das Steuerformular “Modelo 720” hat im Rahmen von unvollständiger, falscher oder verspäteter (aufgrund oder ohne vorherige behördliche Aufforderung) Erklärung ein eigenes Sanktionsverfahren. Artikel 39.2 des Gesetzes „Ley 35/2006“ zur Einkommenssteuer qualifiziert andererseits, sofern der Steuerpflichtige nicht nachweist, dass dies nicht mit erklärten Steuern oder nicht steuerpflichtigen Zeiträumen in Zusammenhang steht, die verspätete Abgabe der Erklärung des Auslandsvermögens als nicht nachgewiesenen – und damit steuerpflichtigen – Vermögenszuwachs.
Mit Datum vom 15.02.2017 hatte die Europäische Kommission rechtliche Schritte, mithin ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Spanien übermittelt, mit der Aufforderung, die Vorschriften über in anderen EU- oder EWR-Mitgliedstaaten gehaltene Vermögenswerte („Modelo 720“) zu ändern. Die Kommission räumte dabei ein, dass Spanien zwar das Recht habe, Steuerpflichtige aufzufordern, den Behörden Informationen über bestimmte ausländische Vermögenswerte mitzuteilen, die Sanktionen bei Nichteinhaltung dieser Vorschriften seien allerdings unverhältnismäßig hoch im Vergleich zu solchen für die falsche oder ungenaue Meldung von Vermögenswerten die sich auf spanischem Staatsgebiet befinden. Daher könnten die Bestimmungen Unternehmen und Privatpersonen davon abhalten, grenzüberschreitend im Binnenmarkt zu investieren oder mobil zu sein.
Zudem verfüge die Verwaltung über ausreichende Mittel zum Informationsaustausch mit den anderen Staaten. Dadurch werde der freie Verkehr von Personen, Arbeitnehmern und Kapitalen, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit, mithin die fünf elementaren Grundfreiheiten der EU verletzt.
Trotz dieses eindeutigen Votums wurde von spanischer Seite weder das Gesetz abgeschafft, noch geändert oder aber die Höhe der Sanktionen verringert. Aus spanischer Sicht ist nachvollziehbar, die zur Vermeidung des Steuerbetruges geschaffene Maßnahme so lange als möglich beizubehalten. Damit zeigte der Staat politisch weiter Härte gegen Steuersünder und schaffte gleichzeitig weitere Einnahmen.
Gemäß Pressemitteilung Nr. 18/22 vom 27. Januar 2022 des Europäischen Gerichtshofs erging nun erwartungsgemäß das Urteil in der Rechtssache C-788/19 Kommission / Spanien (Informationspflicht auf dem Gebiet des Steuerrechts).
Die Verpflichtung zur Einreichung des „Formblatts 720“ und die mit der Missachtung oder der unvollständigen oder verspäteten Erfüllung dieser Verpflichtung verbundenen Sanktionen, die bei in Spanien belegenen Vermögensgegenständen oder Rechten nicht verhängt werden, führten zu einer unterschiedlichen, diskriminierenden Behandlung der in Spanien ansässigen Personen, je nachdem, wo sich ihre Vermögenswerte befänden. Da diese Verpflichtung geeignet sei, die Gebietsansässigen dieses Mitgliedstaats davon abzuhalten, in anderen Mitgliedstaaten zu investieren, sie daran zu hindern oder ihre Möglichkeiten dazu einzuschränken, stelle sie eine Beschränkung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs dar.
Der Gerichtshof führt im Urteil wie bereits die Kommission in 2017 aus, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften durch die Verwirklichung der oben genannten Ziele gerechtfertigt sein könnten, da die Mitgliedstaaten in Bezug auf die im Ausland belegenen Vermögenswerte ihrer Steueransässigen, trotz der bestehenden Möglichkeiten des internationalen behördlichen Informationsaustauschs oder der Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten, im Allgemeinen über weniger Informationen verfügten, als über Vermögenswerte, die sich in ihrem eigenen Hoheitsgebiet befinden. Die spanischen Rechtsvorschriften gingen allerdings über das Maß hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich sei.
1. Dem Gerichtshof erscheint die vom spanischen Gesetzgeber in Art. 39.2 EinkStG aufgestellte Vermutung „nicht gerechtfertigter Vermögenszuwächse“ vor Allem da der Steuerpflichtige diese widerlegen könne, im Hinblick auf die Ziele der Gewährleistung der Wirksamkeit der steuerlichen Überwachung und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung als verhältnismäßig. Als unverhältnismäßig hingegen sieht er die Befugnis der Steuerverwaltung an, die geschuldete Steuer für Beträge, die dem Wert der im Ausland belegenen, nicht oder unvollständig oder verspätet mit dem „Formblatt 720“ erklärten Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechen, zeitlich unbegrenzt nachfordern zu können.
Denn diese Regelung beinhalte nicht nicht nur eine Unverjährbarkeitswirkung, sondern könne sogar eine bereits eingetretene Verjährung wieder aufheben und verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit. Diese schwerwiegenden Folgen der Verletzung der Erklärungspflicht stünden nicht im Verhältnis zu den Erfordernissen der Gewährleistung einer steuerlichen Überwachung und Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -umgehung.
2. Die Verhängung einer Sanktion von bis zu 150 % auf die dem Wert nicht erklärter Vermögensgegenstände oder Rechte entsprechenden Beträge sei ein Verstoß gegen den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs. Die Sanktion stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verletzung von Erklärungspflichten, da sie nur gegen Steuerpflichtige festgesetzt werde, die der Informationspflicht nicht nachgekommen sind. Diese bloße Pflichtversäumnis reiche für die Feststellung eines Steuerdelikts aus, das als sehr schwerwiegend angesehen wird. Der sehr hohe Prozentsatz der Sanktion verleihe dieser einen äußerst repressiven Charakter und die Kumulierung mit den darüber hinaus vorgesehenen Geldbußen könne dazu führen, die Schuld auf mehr als 100 % des Wertes der Vermögensgegenstände oder Rechte im Ausland ansteigen zu lassen.
3. Der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs sei auch dadurch verletzt, dass die Nichterfüllung oder unvollständige oder verspätete Erfüllung der Informationspflicht mit pauschalen Geldbußen belegt sei, deren Höhe nicht im Verhältnis zu den Sanktionen in einem rein innerstaatlichen Kontext für vergleichbare Verstöße vorgesehen sind, und deren Gesamtbetrag nach oben nicht begrenzt ist.
Insbesondere die Kumulation dieser pauschalen Geldbußen mit der Sanktion von 150 % stünde außer Verhältnis.
©2022 Verfasser EuGH Spanien Auslandsvermögen: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien) Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht