Workation Spanien
Mit der Corona-Pandemie kam es zu einem Wendepunkt im Rahmen der Art und Weise der Verrichtung von Arbeit. Als vorübergehende Ausnahmemaßnahme eingeführt, ist seitdem die Tätigkeit vom home-office aus in vielen Fällen zur Regel geworden. Die Möglichkeit des Einsatzes neuer Technologien hat die Einleitung dieses Wandels erst verwirklichen lassen. Parallel zu dieser Entwicklung manifestierte sich seitdem die Vorstellung und der Wunsch vieler Arbeitnehmer Beruf und Urlaub zu kombinieren. In gleicher Weise kombiniert sich der Begriff „Workation“ („Work“ und „Vacation“). Der Beitrag „Workation Spanien“ behandelt die erheblichen Problematiken arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Art in Zusammenhang dieses „New Work“.
Mobile Arbeit definiert sich darin, dass Arbeitnehmer ihre Berufstätigkeit von einem anderen Ort als der vom Arbeitgeber für sie eingerichteten Arbeitsstätte erbringen. Sie kann entweder an einem frei vom Arbeitnehmer gewählten oder an einem sonstigen, mit dem Arbeitgeber vereinbarten Ort verrichtet werden. Dies kann also auch bspw. aus einem „Coworking-Space“ oder einem home-office“ heraus erfolgen.
Wenn auch einige Arbeitnehmer, allen voraus digitale Nomaden und Freelancer, ein Recht auf Teleworking einfordern, so ermöglicht derzeit weder deutsches noch spanisches Arbeitsrecht einen solchen Anspruch. Gleiches gilt grds. für die Kombination von Arbeit und Ferien. Unbeschadet dessen gibt es aber auch vermehrt Unternehmen, die ihren Mitarbeitern grds. die Möglichkeit einräumen möchten, die Arbeitsleistung für einen vorübergehenden Zeitraum von einem Ort im Ausland aus der Distanz erbringen zu können und workation-Modelle anbietet. Dies, um entweder aufgrund des Fachkräftemangels, das Arbeiten in diesem Unternehmen attraktiver als beim „Mitbewerber“ zu machen, oder aber bei vorhandenen Mitarbeitern die Motivation zu steigern bzw. eine Unternehmensbindung zu fördern. So finden sich mittlerweile auch eine ganze Reihe von Anbietern im Netz, die solche Workation Aufenthalte in Spanien und anderen Ländern für Arbeitgeber und Arbeitnehmer organisieren. Dies häufig allerdings ohne die Erläuterung der rechtlichen Problematiken.
Insbesondere innerhalb der Europäischen Union ist aufgrund des Freizügigkeitsgrundsatzes ein Arbeiten für EU-Bürger anderer Mitgliedsstaaten zwar grds. frei möglich. Dabei sind aber die entsprechenden Normen der EU als auch die Gesetze des Landes in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, wie auch des Landes in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit erbringt zu beachten. Und diese können innerhalb der EU ganz erheblich variieren.
Wie oben dargelegt, besteht weder in Deutschland noch in Spanien ein Anspruch auf mobiles Arbeiten und home-office-Tätigkeit. Entsprechende Gerichtsentscheidungen liegen vor.
Sofern der Arbeitgeber aber ein mobiles Arbeiten auf Wunsch des Arbeitnehmers erlaubt, bzw. sogar als Anreiz oder Belohnung (Incentive) ein „remote working“ gewähren möchte, ist zunächst das nationale Arbeitsrecht unter Berücksichtigung der EU-Normen zu beachten. Grds. ist durch ein vorübergehendes mobiles Arbeiten im Ausland das auf das Arbeitsverhältnis anzuwendende Recht nicht betroffen. Nach Art. 8 Abs.1 der ROM-I-Verordnung (VO) unterliegen Individualarbeitsverträge dem von den Parteien gem. Art.3 ROM-I gewählten Recht. Der nach deutschem Recht abgeschlossene Arbeitsvertrag unterliegt also grds. für den Fall einer vorübergehenden Erbringung der Arbeitsleistung in oder aus einem anderen Land deutschem Arbeitsrecht. Es kommt zu keinem Wechsel des gewöhnlichen Arbeitsorts, wenn die Arbeit nur vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet wird (Art. 8 Abs. 2 S. 2 ROM-I). Dabei ist anerkannt, dass das Merkmal „vorübergehend“ weit interpretiert werden kann. Es gilt insoweit, dass von dem Arbeitnehmer erwartet wird, dass er nach seinem Arbeitseinsatz im Ausland seine Arbeit im Ursprungsstaat des Arbeitsverhältnisses wieder aufnimmt.
Zwar gelten unter bestimmten Umständen gemäß ROM-I- Verordnung (Art. 8 Abs. 2) zwingende Bestimmungen des Rechts des Arbeitsorts, allerdings muss es sich dabei um den gewöhnlichen Arbeitsort handeln. Da sich dieser im Falle der nur vorübergehenden Workation nicht ändert, bleibt der Arbeitsort in Deutschland und deutsches Arbeitsrecht anwendbar.
Unbeschadet dessen kann das deutsche Arbeitsrecht aber durch lokales Recht eingeschränkt werden. Denn nach Art. 9 ROM-I-Verordnung sind sogenannte Eingriffsnormen des ausländischen Staates zu beachten. Dabei handelt es sich um zwingende gesetzliche Normen, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses angesehen wird, dass sie ungeachtet des anwendbaren Rechtsstatuts auf alle Sachverhalte anzuwenden ist, die in ihren Anwendungsbereich fallen. Gemäß Art. 9 Abs. 3 ROM-I-Verordnung kann eine Eingriffsnorm des ausländischen Tätigkeitsstaates aber nur angewandt werden, soweit sie die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lässt. Die Verbotsnorm muss die Unwirksamkeit der Vertragserfüllung bestimmen.
So sind bspw. die lokalen Normen zu Arbeitsschutz, Arbeitszeiten, Feiertagen, etc. zu berücksichtigen.
Nicht zu berücksichtigen hingegen sind dem Arbeitnehmerschutz und dem fairen Wettbewerb unter Dienstleistungserbringern bezweckenden Entsenderichtlinien 96/71/EG und 18/957, deren Schutzvorschriften entsandten Mitarbeitern unabhängig von der Dauer der Entsendung zu gewährleisten sind. Zwar gilt im Sinne dieser Richtlinie als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.
Dabei bestimmt Artikel 3 der Richtlinie:
(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird,
– durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder
– durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche im Sinne des Absatzes 8, sofern sie die im Anhang genannten Tätigkeiten betreffen, festgelegt sind.
Allerdings setzt eine Entsendung begrifflich schon voraus, dass diese seitens des Arbeitgebers angeordnet wird. Dies ist bei workation auf Wunsch des Arbeitnehmers und auch als Incentive nicht der Fall.
Sozialversicherungsrechtlich gilt grds. das Tätigkeitsortprinzip. Demgemäß gelten die Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Beschäftigung ausgeübt wird. Bzgl. grenzüberschreitender Tätigkeit innerhalb der EU-Mitgliedstaaten, der EWR-Staaten und der Schweiz wird dieser Grundsatz aber durch die Verordnung VO (EG) Nr. 883/2004, eingeschränkt. Grenzüberschreitende Arbeiten innerhalb dieser Staaten werden grds. dem System der sozialen Sicherheit nur eines Staates unterworfen, um zu verhindern, dass bei Arbeitstätigkeiten im Ausland zwingend dortige Sozialversicherungssysteme gälten. Die Verordnung zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit sieht in Art. 12 vor, dass im Falle einer Entsendung, einer so genannten Ausstrahlung, das bisherige Sozialversicherungsrecht grds. anwendbar bleibt. Dies setzt voraus, dass ein Beschäftigter von seinem Arbeitgeber für voraussichtlich maximal 24 Monate in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen.
Auch dieser Grundsatz kann durchbrochen werden, wenn Beschäftigte gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Arbeitstätigkeit ausüben (Art. 13 VO [EG] Nr. 883/2004).
Sozialversicherungsrechtlich liegt eine Entsendung bei jeder, noch so kurzer Tätigkeit im Ausland vor, selbst bei einer Dienstreise. Ebenso ist zwztl. anerkannt, dass auch eine Tätigkeit aus dem home-office im Ausland den Sachverhalt einer Entsendung begründen kann. Allerdings muss der Arbeitnehmer gemäß der Verordnung auf Basis einer arbeitgeberseitigen Weisung i. S. d. Art.12 VO (EG) Nr. 883/2004 in dem anderen Staat vorübergehend tätig sein, was bei „workation“ in Spanien wiederum nicht der Fall ist.
Unabhängig von Fragen der in jedem der EU-Mitgliedstaaten unabhängig gesetzlich geregelten Melde- und Registrierungspflichten sowie Aufenthaltsbestimmungen, ist ab einer bestimmten Dauer des Aufenthalts im jeweiligen Land steuerrechtlich jedenfalls zu beachten, dass einerseits die in den nationalen Steuergesetzen festgelegte 183-Tage-Grenze nicht überschritten wird, wie auch das Doppelbesteuerungsabkommen der beiden betroffenen Länder die Tätigkeit im jeweils anderen Staat regelt und nicht mglw. durch die home-office-Tätigkeit des Mitarbeiters eine ausländische, steuerliche Betriebsstätte entsteht. Sofern der geplante Aufenthalt 183 Tage überschreitet, so entsteht für den Arbeitnehmer eine Einkommensteuerpflicht und für den Arbeitgeber die Pflicht zum Einbehalt und zur Abfuhr der Lohnsteuer im Ausland.
Workation Spanien – Praxis
Aufgrund des Freizügigkeitsgrundsatzes ist workation für EU-Bürger innerhalb der EU grds. problemlos möglich. Eine eindeutige gesetzliche Regelung besteht aber weder auf nationaler, noch auf EU-Ebene. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein großer Freiraum für entsprechendes Arbeiten und diesbezügliche Vereinbarungen besteht. Vielmehr bestehen eher große Risiken in rechtlicher Hinsicht.
Sofern der Arbeitgeber unbeschadet dessen workation in Spanien oder einem anderen Land erlaubt oder workation-Modelle anbietet , so sind daher zumindest klare und umfassende Regelungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu treffen.
Anhaltspunkte für den Inhalt solcher Regelungen können einerseits gesetzliche Bestimmungen zu Entsendungen, wie auch solche zur Erbringung von Telearbeit geben.
Mindestinhalte sind natürlich Fragen der Dauer der workation, die Bestimmung des Ortes, des Arbeitsplatzes, Nutzung von Arbeitsmitteln, Erreichbarkeit und Internetanbindung, IT-Sicherheit, Datenschutzregelungen, Arbeitszeiten und deren Kontrolle, Vorgehen im Falle einer Erkrankung oder eines Unfalls, etc., etc..
Aus deutscher Sicht ist für eine workation in Spanien bspw. zu beachten, dass für den Fall, dass die Arbeit außerhalb der Bundesrepublik länger als 1 Monat erfolgt, eine schriftliche Vereinbarung mit Bestimmungen zu Dauer, Entgelt, Rückkehr etc. erforderlich ist (§ 2 Abs. 2 NachwG).
Zu klären sind zuvor u.a. Fragen zu zwingenden lokalen Gesetzen, wie ggf. zu beachtende Arbeitszeiten und deren Erfassung, Feiertage, Arbeits- und Gesundheitsschutz, etc., etc..
Insbesondere bedarf der gesetzliche Unfallversicherungsschutz und die Möglichkeit des Erhalts einer A1-Bescheinigung mit dem Versicherer der Klärung; ggf. können private Zusatzversicherungen abgeschlossen werden. Denn die Begründung bei der Beantragung des Entsendeformulars hat bislang zu enthalten, dass diese auf Weisung des Arbeitgebers zu beruflichen Zwecken erfolgt. Dies liegt bei Workation-Aufenthalten im Ausland nicht vor.
Die Voraussetzung der Weisung scheint sich allerdings aufzuweichen, denn gemäß der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) solle dies nicht mehr entscheidend sein. Es könne bei der Anwendbarkeit deutschen Sozialversicherungsrechts bleiben, sofern der Arbeitgeber Kenntnis hat und zustimmt, die Arbeitsleistung entgegennimmt und vergütet sowie das A1-Formular beantragt werde.
Die DVKA ist eine Abteilung des GKV-Spitzenverbandes. Der GKV-Spitzenverband ist die zentrale Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland. In Staaten der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz liegt die maximale Gültigkeit einer A1-Bescheinigung bei 24 Monaten, in Staaten mit Sozialversicherungsabkommen kommt es auf das Abkommen an.
Das Merkmale für das Vorliegen eines in Deutschland (fort-) bestehenden Beschäftigungsverhältnisses im Rahmen einer Ausstrahlung ins Auslandwird im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt es für die Einordnung maßgebend darauf an, wo der Schwerpunkt der rechtlichen und tatsächlichen Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses liegt. Demgemäß wird für das weitere Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland insbesondere vorausgesetzt, dass
a) der Arbeitsvertrag nicht ruhend gestellt ist,
b) der vorübergehend im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer organisatorisch in den Betrieb des entsendenden Arbeitgebers eingegliedert bleibt und wesentliche Elemente eines Beschäftigungsverhältnisses erfüllt werden und
c) sich der arbeitsvertragliche Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den entsendenden Arbeit-geber richtet.
Ob diese Voraussetzungen erfüllt werden, ist grundsätzlich einzelfallbezogen zu prüfen. Maßgeblich sind stets die tatsächlichen Verhältnisse, so dass die arbeitsvertragliche Ausgestaltung nicht allein maßgebend ist.
Gemäß einer gemeinsamen Verlautbarung zur versicherungsrechtlichen Beurteilung entsandter Arbeitnehmer des GKV-SPITZENVERBAND, BERLIN, der DEUTSCHEN RENTENVERSICHERUNG BUND, BERLIN, der BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT, NÜRNBERG und der DEUTSCHEN GESETZLICHEN UNFALLVERSICHERUNG, BERLIN vom 18. März 2020 steht der Erfüllung dieser Voraussetzungen nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer mit Zustimmung des Arbeitgebers die abhängige Beschäftigung im Ausland in Form von Telearbeit „von zu Hause aus“ ausübt (sog. Home-Office), selbst wenn die Initiative für den Auslandseinsatz vom Arbeitnehmer ausgeht (S. 15).
Mithin ist workation in Spanien oder andernorts arbeits-, sozialversicherungsrechtlich- und steuerlich grds. möglich, allerdings komplex und bedarf umfassender Vorbereitung und Dokumentation. Ob der damit verbundene Aufwand und die verbleibende Rechtsunsicherheit im Verhältnis steht ist eine andere Frage.
©2023 Verfasser workation Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht